Enid Blyton - eine facettenreiche Persönlichkeit
„Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken“ von Maria Regina Kaiser ist eine exzellent recherchierte Romanbiografie jener Kinder- und Jugendbuchschriftstellerin, die – wie mich - Millionen Kinder mit ...
„Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken“ von Maria Regina Kaiser ist eine exzellent recherchierte Romanbiografie jener Kinder- und Jugendbuchschriftstellerin, die – wie mich - Millionen Kinder mit ihren zahlreichen Büchern, wie „Hanni und Nanni“ oder die „Fünf Freunde-Reihe“ in den 50er und 60er Jahren begeistert hat.
Bereits durch das Portrait am Cover bekommt diese Autorin, von der man eigentlich kaum etwas weiß hierzulande, ein Gesicht, und mit der Lektüre dieses Buches erhält man einen umfassenden Eindruck von ihrer Lebensgeschichte, den wichtigsten Ereignissen, die sie geprägt haben, wie aus anfänglichen Misserfolgen durch Hartnäckigkeit, Fleiß und reichlich Fantasie eine beeindruckende Laufbahn wurde und natürlich von ihren positiven und negativen Charakterzügen.
Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind eher kurz gehalten, mit Orts- und Zeitangaben versehen und schildern stets einen besonderen Lebensabschnitt, ein wichtiges Ereignis. Der Erzählstil ist sehr einfühlsam und lebendig, die Personen erscheinen authentisch, gut vorstellbar, es erscheint stets glaubhaft, dass es sich tatsächlich so abgespielt hat bzw. abgespielt haben könnte. Diesen Eindruck findet man bestätigt, wenn man das Nachwort gelesen hat und anhand der genannten Quellen den beeindruckenden Umfang der Recherchen erkennt.
Enid Blyton verfügte von Kind auf über eine schriftstellerische Begabung, doch forcierten die Eltern zunächst ihr musikalisches Talent. Sie sollte Pianistin werden wie eine ihrer Tanten. Gegen den Widerstand der Eltern, insbesondere der Mutter, die kein Verständnis für ihre fantasiebegabte Tochter aufbringt, setzt sie sich trotz vieler Absagen von Verlagen durch, ergreift zunächst den Lehrberuf und schreibt nebenbei Gedichte und Geschichten für Kinder, die immer öfter auch veröffentlicht werden.
Enid Blyton hatte ein sehr gutes Verhältnis zu ihrem Vater, der ihr in der Kindheit viel Zeit widmete und Liebe entgegenbrachte. Sie litt sehr unter der Trennung ihrer Eltern, als sie bei der strengen, sie nicht verstehenden Mutter bleiben musste. Ähnlich wie ihr Vater sie förderte und forderte, agiert später auch Enids erster, wesentlich älterer Ehemann, wohl ein Vaterersatz für sie. Mit ihm hat sie zwei Töchter, die aber eher von Nannys und im Internat erzogen werden, weil Enid sich mehr Zeit nimmt, um die Briefe fremder Kinder zu beantworten, als für ihre eigenen Kinder. Sie lebt für ihre Bücher, ihre Karriere, sie scheint ununterbrochen Geschichten im Kopf zu haben, eher in einer Fantasiewelt zu leben als in der Realität. Bis zu einem gewissen Punkt wirkt sie, als wäre sie nie erwachsen geworden. Mit Problemen will sie sich nicht konfrontieren. Sie schiebt alles von sich, was belastend ist oder sein könnte – den Tod und das Begräbnis ihres Vaters, den Tod ihres geliebten Hundes, die Probleme ihres Mannes, der deprimiert und alkoholsüchtig ist, Steuererklärungen.
Ich fand Enid Blytons Lebensgeschichte faszinierend, was ihr alles widerfahren ist, sie beeinflusst hat und zu dem Menschen gemacht hat, der sie letztlich wurde, mit liebenswerten, ebenso mit vielleicht unverständlichen Wesenszügen, fortschrittlich in manchen Gedanken und doch auch von den Konventionen der Zeit geprägt. Enid Blyton war für mich bis dato nur ein Name, ein Name, der auf Kinderbüchern stand. Nun wurde sie zu einer Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, mit einem ganz besonderen Talent, mit Schicksalsschlägen und einem wechselvollen Leben.
Das Buch ist nicht nur für jene lesenswert, die sich vielleicht aus nostalgischen Empfindungen angesprochen fühlen, weil sie einst ihre Bücher lasen, sondern es wird rund um den Menschen Enid Blyton ein ausgezeichnetes Bild vom Leben in Großbritannien jener Zeit vermittelt.