Inhalt:
Julia freut sich sehr auf den bevorstehenden Urlaub mit ihrem Freund Michael. Das Paar möchte sich eine kleine Auszeit gönnen und gemeinsam mit Michaels Kollegen Andreas und dessen Ehefrau Martina ein paar Wochen auf der Nordseeinsel Amrum verbringen. Mit Julias anfänglicher Vorfreude ist es jedoch schnell vorbei, denn Andreas‘ anzügliche Blicke sowie Martinas ständiges Genörgel und ihre Sticheleien lassen den Urlaub zu einer nervlichen Zerreißprobe werden. Als dann schon kurz nach ihrer Ankunft ein grausamer Mord geschieht, ist das Urlaubsidyll vollends zerstört. Ganz in der Nähe ihres Feriendomizils wurde bei Ebbe eine Frau am Strand bis zum Hals im Sand eingegraben, und während die Flut unaufhaltsam stieg, musste ihr Mann, der unmittelbar daneben an einem Pfahl festgebunden wurde, hilflos mitansehen, wie seine Frau vor seinen Augen langsam und qualvoll ertrank.
Obwohl Julia, nachdem sie im Dorf von dem Mord erfährt, ein wenig mulmig zumute ist und sie die Insel am liebsten sofort wieder verlassen würde, beschließt sie, gemeinsam mit Michael, Andreas und Martina auf Amrum zu bleiben. Doch schon bald wird sich zeigen, dass es klüger gewesen wäre, den Urlaub sofort abzubrechen.
Es bleibt nämlich nicht bei diesem einen Mord, denn der hochintelligente Täter will seine Genialität beweisen, indem er auf der bislang friedlichen, beschaulichen Nordseeinsel eine perfekte Mordserie begeht, von der die ganze Welt erfahren soll. Als Beamte der Kripo Flensburg zu dem Fall hinzugezogen werden und auf der Insel ankommen, gewinnt der Mörder erst richtig Spaß an seinem perfiden Spiel. Er möchte den ermittelnden Beamten zeigen, dass er viel zu intelligent ist, um jemals gefasst zu werden und unbehelligt weitermorden kann, während sie im Dunkeln tappen. Das nächste Liebespaar hat er bereits im Visier und hofft, dass er dieses Mal nicht wieder enttäuscht wird.
Meine persönliche Meinung:
Obwohl ich auf die Thriller von Arno Strobel schon lange neugierig bin, habe ich bislang noch kein Buch dieses Autors gelesen. Dem wollte ich nun dringend Abhilfe schaffen, denn ich mag deutsche Thriller sehr und finde es auch äußerst sympathisch, dass alle bisher erschienenen Bücher von Arno Strobel Einzelbände sind und man nicht gezwungen ist, sie in einer bestimmten Reihenfolge zu lesen. Der Klappentext seines aktuellsten Psychothrillers
Die Flut klang besonders spannend, denn ein Mörder, der Liebespaare entführt, die Frau am Strand bis zum Hals im Sand eingräbt und ihren Mann daneben an einen Pfahl bindet, sodass er hilflos mitansehen muss, wie seine Frau, sobald die Flut einsetzt, langsam ertrinkt, ist selbst wenn man schon viele Thriller gelesen hat und einiges gewohnt ist, ein außergewöhnlich grausames Szenario .
Bereits das Setting hat mir sehr gut gefallen, denn auch ohne jemals auf Amrum gewesen zu sein, stelle ich mir diese Insel im Spätherbst, also der Jahreszeit, in der dieser Thriller spielt, ziemlich unheimlich und gruselig vor. Ich finde kleine Inseln, die nicht auf dem Landweg zu erreichen sind, generell etwas beklemmend, da äußerlich begrenzte Orte, die man nicht jederzeit verlassen kann, sondern dabei auf Fähren oder Schiffe angewiesen ist, mir ziemliches Unbehagen bereiten. Wenn auf einer solchen Insel dann auch noch ein grausamer Mörder sein Unwesen treibt, man sie nicht verlassen darf, solange die Polizei den Fall nicht aufgeklärt hat, man also weiß, dass der Täter noch ganz in der Nähe ist und sich unter einem recht kleinen und überschaubaren Personenkreis befindet, wäre meine persönliche Grenze dessen, was ich gelassen ertragen kann, definitiv überschritten. Auch wenn einige der Protagonisten in
Die Flut diese Tatsache erstaunlich entspannt hinnehmen, ist es Arno Strobel sehr gut gelungen, diese klaustrophobische, düstere und beängstigende Stimmung auf der Insel einzufangen. Mit der Wahl dieses Schauplatzes gibt der Autor dem Mörder außerdem ein äußerst bizarres Tatwerkzeug an die Hand – die Flut, denn sie lässt den Opfern nicht nur einen überaus qualvollen Tod zuteilwerden, sondern erschwert auch die Aufklärung der Morde, da sich der Tatort quasi von selbst reinigt und die Tat nahezu keine Spuren hinterlässt.
Die angenehm kurzen Kapitel, die nicht nur aus der Perspektive von Julia und eines der ermittelnden Kriminalbeamten, sondern auch aus der des Täters geschildert werden, lassen die Spannung dieses Psychothrillers nie abreißen. Die Passagen, in denen der Mörder selbst zu Wort kommt, fand ich dabei besonders beeindruckend und verstörend. Vor allem sein Motiv hat mein Interesse geweckt, denn er wählt seine Opfer ganz gezielt aus und ist nur auf der Suche nach Paaren, die er zuvor beobachtet und dabei den Eindruck gewonnen hat, dass sie sich besonders lieben. Indem er die Frauen vor den Augen ihrer Männer ertrinken lässt, möchte er sehen, was Liebende empfinden, wenn das Leben des geliebten Partners langsam entweicht. Somit gleichen die Morde psychologischen Versuchsreihen, mit denen er das Wesen der Liebe zu ergründen versucht, das ihm selbst gänzlich fremd und unbekannt zu sein scheint. Außerdem möchte er mit seinen Taten berühmt werden und entscheidet sich ganz bewusst für die kleine beschauliche Nordseeinsel Amrum, weil sich dort bislang noch nie solche brutalen Gewalttaten zugetragen haben und er sicher sein kann, mit seinen Morden für Schlagzeilen zu sorgen. Die tiefen Einsichten in die Psyche dieses psychopathischen, aber überaus intelligenten Mörders haben mir ausgesprochen gut gefallen, während mich die Passagen, die aus der Perspektive des Ermittlers geschildert werden, manchmal etwas geärgert haben. Das lag vor allem an den Ermittlerfiguren, denn diese haben mich leider etwas enttäuscht. Abgesehen von der Tatsache, dass sie alle recht unsympathisch waren, leisteten sie eben auch nahezu keine Ermittlungsarbeit. Kriminalhauptkommissar Harmsen ist ein so widerwärtiger Kotzbrocken und als solcher so maßlos überzeichnet, dass dieser Charakter für mich leider vollkommen unglaubwürdig und geradezu lächerlich war. Er besitzt nicht nur keinerlei Umgangsformen, sondern hat offenbar auch keine Ahnung, wie man Verhöre führt oder in einem Mordfall ermittelt. Für ihn steht ohnehin sofort fest, wer der Täter ist, sodass sämtliche Ermittlungsmaßnahmen vollkommen überflüssig sind. Sein Kollege Jochen Diedrichsen ging mir allerdings fast noch mehr auf die Nerven, denn es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er sich traut, sich seinem ruppigen Vorgesetzten zu widersetzen. Er ist eigentlich ausschließlich damit beschäftigt, größeres Unheil zu verhindern, sich permanent für seinen Kollegen Harmsen zu entschuldigen und nach den Ursachen für dessen Charakterdefizite zu suchen, statt in diesen Mordfällen zu ermitteln. Auch wenn dadurch eine Erklärung für Harmens soziale Inkompetenz geliefert wird, man dann zumindest ansatzweise nachempfinden kann, warum er so ein Ekelpaket geworden ist, war dieser Charakter viel zu überzeichnet, um noch authentisch zu sein.
Es wimmelt ohnehin nicht gerade von Sympathieträgern in
Die Flut, aber alle anderen Protagonisten sind zumindest glaubwürdig angelegt. Zweifellos muss es die Höchststrafe sein, mit einer Nervensäge wie Martina, der Ehefrau von Michaels Kollegen Andreas, seinen Urlaub verbringen zu müssen. Dennoch musste ich über ihre zynischen, spöttischen und fiesen Bemerkungen mitunter auch lachen. Auch mit Julia konnte ich nicht so recht warmwerden, obwohl sie die einzige Figur ist, die positive Charakterzüge aufweist und die einem, wenn sie nicht häufig so grenzenlos naiv wäre, wirklich leidtun könnte.
Diese Masse an nicht gerade liebenswürdigen Protagonisten trägt allerdings enorm zur Spannung bei, denn im Verlauf der Geschichte, habe ich eigentlich nahezu jeden des Mordes verdächtigt. Dass es sich bei dem Täter nur um einen Mann handeln kann, weiß man bereits, wenn man den Prolog gelesen hat, aber fast jeder männliche Protagonist verhält sich eigenartig und käme für die Morde in Frage – selbst die Ermittler. Ständig wird der Leser auf die falsche Fährte gelockt und muss seine Theorie immer wieder neu überdenken. Der Plot dieses Thrillers ist jedenfalls überaus raffiniert gestrickt, und das Ende war für mich sehr überraschend.
Auch wenn ich mir etwas vielschichtigere und lebendigere Charaktere gewünscht hätte und die Ermittlerfiguren enttäuschend waren, hat mich Arno Strobels Psychothriller
Die Flut absolut überzeugt. Der Schreibstil des Autors ist flüssig, prägnant und mitreißend. Das Buch hatte an keiner Stelle irgendwelche Längen oder Passagen, die mich gelangweilt hätten. Immer wieder wurde ich geschickt in die Irre geführt, und das bizarre Szenario sorgte für beklemmende Momente, die für mich bei einem Buch dieses Genres unverzichtbar sind.
Die Flut ist ein wirklich äußerst gelungener, wendungsreicher und spannungsgeladener Psychothriller, und ich freue mich nun darauf, nach und nach alle Bücher von Arno Strobel zu lesen.