Cover-Bild Sekunden der Gnade
(59)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Hard Boiled, Roman Noir
  • Genre: Krimis & Thriller / Sonstige Spannungsromane
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 23.08.2023
  • ISBN: 9783257072587
Dennis Lehane

Sekunden der Gnade

Malte Krutzsch (Übersetzer)

Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass. Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2023

Eltern können ihre Kinder nicht beschützen

0


Dennis Lehanes neuer Roman spielt im Jahr 1974 in Boston. Hier lebt in einem ärmeren weißen Viertel die Krankenschwester Mary Pat Fennessy mit ihrer Tochter Julia genannt Jules. Ihr erster Mann ist verstorben, ...


Dennis Lehanes neuer Roman spielt im Jahr 1974 in Boston. Hier lebt in einem ärmeren weißen Viertel die Krankenschwester Mary Pat Fennessy mit ihrer Tochter Julia genannt Jules. Ihr erster Mann ist verstorben, der zweite hat sie wegen einer Jüngeren verlassen. Ihr geliebter Sohn Noel starb nach seiner Rückkehr aus dem Vietnamkrieg an einer Überdosis Heroin. Jetzt ist sie allein mit ihrer 17jährigen Tochter. Es ist ein heißer Sommer mit Demonstrationen gegen die geplante Umsetzung der Aufhebung der Rassentrennung. Schüler aus schwarzen Vierteln sollen mit Bussen zu weißen Highschools gebracht werden und umgekehrt. Eines nachts kehrt Jules nicht nach Hause zurück. In derselben Nacht wird ein junger Farbiger tot neben den Gleisen am Bahnhof gefunden. Sein Auto war ausgerechnet in einem weißen Viertel liegengeblieben, wodurch er automatisch in Lebensgefahr geriet. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Toten um Augustus Williamson, den Sohn einer Kollegin von Mary Pat handelt. Mary Pat sucht verzweifelt nach ihrer Tochter, stellt eigene Nachforschungen an und begreift schließlich, dass Jules nicht mehr lebt. Sie hat sie über alles geliebt, aber sie konnte sie nicht beschützen. Nun hat sie das Einzige verloren, das ihr etwas bedeutete. Deshalb beginnt sie einen privaten Rachefeldzug und setzt dabei ihr Leben aus Spiel. Denn sie hat mächtige Gegner in den brutalen Schlägern des organisierten Verbrechens, die aufgrund von Korruption all die Jahre unbehelligt von der Polizei ihren Geschäften nachgehen konnten. Auch die kleinen Leute im Viertel müssen Schutzgeld zahlen.
Der spannende Roman mit teilweise recht brutalen Szenen beschreibt eine von Hass und Wut und von allgegenwärtigem Rassismus gekennzeichnete Welt, die auch fast 50 Jahre später trotz der offiziellen Aufhebung der Rassentrennung nicht verschwunden ist. Man muss nur an die krassen Beispiele von Polizeigewalt gegen Farbige denken und an die überproportional hohe Zahl dieser jungen Leute in Gefängnissen. Als Zeitzeuge der genannten Ereignisse in den 70ern macht der Autor nicht nur die Atmosphäre dieser Epoche sichtbar, sondern zeigt auch in der Figur der Mary Pat die Folgen von Verlust und Trauer, ihren Hass und ihre Wut, die sich in einem brutalen Rachefeldzug entladen. Ich kenne viele der älteren Romane des Autors, und auch das neue Buch hat mir gut gefallen.

Veröffentlicht am 29.07.2023

Ein Meisterwerk

0

Schon die Rahmenbedingungen haben es in sich: die Menschen tragen einen lange angewachsenen Rassenhass in sich, sind wütend über die anstehenden Bustransfers, sie demonstrieren, immer wieder kocht Gewalt ...

Schon die Rahmenbedingungen haben es in sich: die Menschen tragen einen lange angewachsenen Rassenhass in sich, sind wütend über die anstehenden Bustransfers, sie demonstrieren, immer wieder kocht Gewalt hoch. Mitten in diesem Wahnsinn ist Mary Pat, Nachfahrin irischer Einwanderer, aufgewachsen in einem Umfeld, in dem man sich mit Gewalt Respekt verschafft. Sie ist nicht zimperlich, weiß sich durchzusetzen, notfalls auch mit den Fäusten. Mit unerbittlicher Mutterliebe geht sie auf einen Rachefeldzug, wie eine Naturgewalt bricht sie über die Menschen herein, die es wagten ihren Liebsten zu schaden.

Dennis Lehane schafft es absolut authentische Charaktere zum Leben zu erwecken, es sind vom Leben gezeichnete Menschen der mittleren und unteren Gesellschaftsschichten. Sie leben unter enormen sozialen Spannungen und tragen einen tief verwurzelten Rassismus in sich. Reines Gut und Böse gibt es hier trotzdem nicht.

Das alles ergibt einen packenden Pageturner der mit überraschenden Wendungen überzeugen kann. Stellenweise geht es auch brutal zu, die Entscheidungen und Handlungen der Protagonisten ziehen schonungslose Konsequenzen nach sich, das Buch ist aber nie gewaltverherrlichend.

Eine absolute Leseempfehlung für dieses großartige Buch!

Veröffentlicht am 29.07.2023

Wie weit gehst du, wenn du nichts mehr zu verlieren hast?

0

Von Dennis Lehane hatte ich bisher noch kein Buch gelesen; ich kannte nur die Filme "Mystic River" und "Shutter Island", die auf seinen Büchern basieren, und hatte entsprechend hohe Erwartungen an "Sekunden ...

Von Dennis Lehane hatte ich bisher noch kein Buch gelesen; ich kannte nur die Filme "Mystic River" und "Shutter Island", die auf seinen Büchern basieren, und hatte entsprechend hohe Erwartungen an "Sekunden der Gnade".

Der Roman hat meine Erwartungen voll und ganz erfüllt. Lehane schafft es, einzigartige Figuren zu erschaffen, die mich als Leserin nicht kaltließen. Michael Coyne, den alle nur Bobby nennen, ist so ein Charakter. Vormals drogensüchtig und im Dienste der Polizei. Er ist ambivalent und versucht, sich in andere hineinzuversetzen. Andererseits kann er auch sehr hart sein.
Mary Pat, die Hauptfigur, ist eine vom Leben gezeichnete Frau, die irgendwie über die Runden kommen will. Sie hat mich am meisten beeindruckt, wie sie versucht, für sich Frieden und Gerechtigkeit zu finden.
Lehane spart in seinem Roman nicht mit Gewalt und schafft es, meiner Meinung nach, die Lesenden zum Nachdenken zu bringen. Die Geschichte ist von Beginn an fesselnd und zeigt deutlich auf, wie gespalten die US-amerikanische Gesellschaft in den 1970er Jahren war.

Parallelen zur Gegenwart drängen sich bei diesem Roman natürlich auf. Daher ist der Roman nicht nur lesenswert, um ein Gefühl für die damalige Zeit zu bekommen. Wer einen Roman mit großer Spannung und fesselnder Geschichte vor historischem Hintergrund sucht, wird bei Lehane auf jeden Fall fündig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.07.2023

Eine unnachgiebige Protagonistin

0

Ein heißer Sommer in den 1970er Jahren im Osten der USA. Kinder, die mit Bussen an andere Schulen gebracht werden sollen, damit die Schulen nicht mehr strikt in solche mit weißer und solche mit schwarzer ...

Ein heißer Sommer in den 1970er Jahren im Osten der USA. Kinder, die mit Bussen an andere Schulen gebracht werden sollen, damit die Schulen nicht mehr strikt in solche mit weißer und solche mit schwarzer Schülerschaft unterschieden werden.
Erstens, habe ich nicht gewusst, dass das tatsächlich so passiert ist. Zweitens, hätte ich auch nicht gedacht, dass man daraus einen Roman machen kann, in dem die politischen Verwicklungen dahinter nicht im Vordergrund stehen.
Lehanes Romanhandlung fügt sich nahtlos in diesen heißen Sommer ein und erzählt eine Geschichte über Rassismus, ja, aber auch über eine ganz außergewöhnliche Frau: Mary Pat.
Mary Pat ist Anfang 40, Mutter, und nicht gerade zimperlich, wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Und gerade deshalb mochte ich sie als Charakter sehr gerne, auch wenn ich ihre Handlungen nicht gut finde.
Der Roman hat mir insgesamt sehr gut gefallen: Er hatte genau das richtige Tempo, nicht zu langsam, nicht zu schnell. In das Setting kann man sich schnell hineinversetzen und das Buch ist ein absoluter Pageturner. Sobald ich angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.
Wie alle Bücher von Lehane, die ich bis jetzt gelesen habe, absolut empfehlenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.07.2023

Rassismus und Rache

0

Der Autor Dennis Lehane ist bekannt für seine Arbeit in der Film- und Serienbranche, einige seiner Bücher wurden ebenfalls verfilmt. So ist auch die Umsetzung seines neuen Romans, Sekunden der Gnade, als ...

Der Autor Dennis Lehane ist bekannt für seine Arbeit in der Film- und Serienbranche, einige seiner Bücher wurden ebenfalls verfilmt. So ist auch die Umsetzung seines neuen Romans, Sekunden der Gnade, als Serie bereits in Planung. Darin befasst sich der Autor mit dem Sommer 1974 in Boston, als die Segregation durch ein Gerichtsurteil durch das sogenannte "busing" außer Kraft gesetzt wurde.

Diesen Aufhänger verpackt Dennis Lehane in die Geschichte einer verschwundenen jungen Frau, eines toten Afroamerikaners sowie einer Mutter, die sich auf die Suche nach ihrer Tochter macht. Er verwendet dabei einen klaren, rasanten Schreibstil, der die Hitze des Sommers und die Erregung der Gemüter der kleinbürgerlichen Siedlung Bostons perfekt einfängt. Verwendet wird dabei eine Sprache, die zum Zeitgeschehen passt, versehen durch eine anfängliche Einordnung.

Durch die Protagonistin der Mutter Mary Pat wird das Lokalkolorit sowie viele gesellschaftliche Probleme wie etwa das (klein-)kriminelle Umfeld, den Klassismus, das Drogenproblem und natürlich der Rassismus hautnah wiedergegeben und erlebbar gemacht. Dass der Autor hier eine Frau mit diesen Hintergründen aus dem Umfeld des Kleinbürgertums erzählen lässt, wie die Desegration erlebt wurde, macht diese Zeit eindrücklicher als wenn er eine reiche weiße Familie aus einem klassischen Suburb dargestellt hätte.

Und so kommt es, dass der Leser zum einen gemeinsam mit Mary Pat versucht herauszufinden, wo ihre Tochter steckt, aber ebenso wissen will, wieso der afroamerikanische Junge sterben musste und ob dies alles etwas mit dem richtungsweisenden Urteil zusammenhängt, weiße und schwarze junge Menschen nun an gemeinsame Schulen gehen zu lassen. Der Plot baut sich immer weiter auf, führt in die Irre, ist packend. Gegen Ende kommt es zum Showdown, der einem Tarantino-Film in nichts nachsteht und bei dem ich Mary Pat zugejubelt habe.

Ein schnelllebiger, packender Roman mit Krimielementen, der zeitgleich den damaligen wie auch den heutigen Rassismus und dessen Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft raffiniert aufzeigt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere