Das Leben neu leben
Ab einer bestimmten Stelle, einer maßgeblichen Wendung im Leben alles noch einmal ändern, neu vorgehen - was würde dann passieren? Wer hat nicht schon mal überlegt, ob er an einem bestimmten ...
Ab einer bestimmten Stelle, einer maßgeblichen Wendung im Leben alles noch einmal ändern, neu vorgehen - was würde dann passieren? Wer hat nicht schon mal überlegt, ob er an einem bestimmten Scheideweg im Leben nicht einen Fehler gemacht hat? Ob sein Leben nicht schöner, sinnvoller, erfüllter, glücklicher gewesen wäre, wenn er zu dem Zeitpunkt eine grundlegend andere Entscheidung getroffen hätte?
Mit eben diesem Gedanken spielt der britische Autor Matt Haig in seinem Roman "Die Mitternachtsbibliothek": Nora Seed, eine Frau Anfang Dreißig empfindet ihr Leben als verpfuscht und in einem Moment, in dem alles schief geht, entschließt sie sich, diesem ein Ende zu setzen.
Und findet sich nicht in der Hölle, auch nicht an der Himmelspforte, sondern in einer Bibliothek. In der sie eine alte Bekannte aus vergangenen Zeiten trifft: nämlich Mrs. Elm, die Bibliothekarin ihrer früheren Schule: einer der wenigen Menschen in ihrem Leben, der uneingeschränkt gut zu ihr war, eine, die immer das Richtige gemacht hat, selbst in der dunkelsten Stunde in Noras Leben.
Von ihr erfährt sie, die ihre Tat zu bereuen gibt, dass es für sie eine Möglichkeit zur Rückkehr ins Leben gibt: in ein anderes Leben und sie hat sogar die Wahl. Und zwar zwischen vielen, vielen Leben, je nachdem, an welchem Wendepunkt sie sich neu orientiert.
Sie springt quasi in ein Buch und ist schwupp - an einer anderen Stelle ihres Lebens angelangt, an einer, die es in der Form nie gegeben hat. Die es aber gegeben haben könnte.
Eine wirklich tolle Idee, finde ich. Eine, auf die nur Matt Haig kommen kann. Matt Haig, der so tolle Bücher wie "Wie man die Zeit anhält" geschrieben hat. Ich war voller Vorfreude und Erwartung und konnte nicht schnell genug an dieses Buch kommen.
Das sich in der Tat ausgesprochen süffig las. Aber: sowohl beim Aufbau der Bibliothek als auch bei der Gestaltung von Noras zahlreichen möglichen Leben hat der Autor eine Menge Potential verschenkt. Meiner Meinung nach. Da hätte einiges mehr kommen, das Geschehene dichter gestaltet werden können. Auch so hatte ich meinen (Lese)Spaß. Aber nicht so wie erhofft, leider! Beim nächsten Haig-Roman dann wieder!