Konnte mich leider nicht abholen
Meinung:
Ich habe mir von "Die Sammlerin der verlorenen Wörter" eine Geschichte erhofft, die interessante Einblicke in die damalige Zeit und die Arbeit am Oxford English Dictionary bietet und dabei von ...
Meinung:
Ich habe mir von "Die Sammlerin der verlorenen Wörter" eine Geschichte erhofft, die interessante Einblicke in die damalige Zeit und die Arbeit am Oxford English Dictionary bietet und dabei von einer lebensnahen Geschichte einer Protagonistin begleitet wird. Während das Buch die Erwartungen bis zu einem gewissen Grad erfüllen konnte, wurde ich an der ein oder anderen Stelle doch enttäuscht.
Aber ich beginne mal am Anfang des Buches, den hier findet sich ein schöner Einstieg, bei dem der Leser die junge Esme im Alter von 5 Jahren kennenlernt. Versteckt unter dem Schreibtisch ihres Vaters bekommt sie schon früh einiges zu der Arbeit am Oxford English Dictionary mit und wird von den Wörtern magisch angezogen. Ihre kindliche Perspektive hat mich beim Lesen gleich angesteckt und ich konnte, wie Emse, nicht genug von den Wörtern bekommen. Dabei sind der Autorin die Einblick und die Hintergründe sehr gut gelungen und obwohl ich zuvor kaum etwas über das Dictionary wusste, wurde mein Interesse schnell geweckt und ich konnte allem auch sehr gut folgen. Mit den Seiten wird nicht nur die Arbeit am Dictionary immer weiter fertiggestellt, sondern Esme wird auch älter. Obwohl in die rund 500 Seiten einige Lebensjahre von ihr Platz finden müssen und so einiges kürzer gehalten wurde, hatte ich am Anfang nie das Gefühl, dass alles zu schnell ging. Das hat sich dann aber nach und nach geändert. Über das ganze Buch hinweg steht das Dictionary im Vordergrund, was ich an sich nicht schlecht finde. Nur leider passiert wenig spannendes und auch das interessante hat irgendwann schon seinen Platz gefunden. Ich habe gehofft, dass das Leben von Esme etwas Abwechslung bringt, aber dem ist leider nicht so. Zwar finden sich durchaus spannende Szenen, aber mir ist an der ein oder andere Stelle aufgefallen, dass wichtige Szenen einfach weggelassen wurde und man vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Das fand ich sehr schade, denn der Weg zum Ziel wäre das Interessante gewesen und nicht das Ziel selber. Durch die Mischung, der nach und nach langweilig werdenden Arbeit am Dictionary so wie die fehlenden wichtigen Szenen im Leben von Esme, hat mich leider ab der Hälfte des Buches sehr enttäuscht.
Am Anfang konnte mich Esme mit ihrer kindlichen Neugier anstecken und mir hat ihr Charakter im Hinblick auf die Geschichte gut gefallen. Leider findet sich nur schwer eine Charakterentwicklung und Esme legt ihre kindliche Art nie wirklich ab, was im Laufe ihres Lebens dann doch eher unpassend scheint. Das wird auch dadurch unterstützt, dass ihr ganzes Leben Platz auf "nur" 500 Seiten finden muss, wodurch nur wenig Platz für Entwicklungen bleibt.
Eine weitere Enttäuschung fand sich dann leider in den "achtlos" weggeworfenen Wörter der Männer, die laut dem Klappentext alle samt Frauen betreffen sollen. In dieser Angabe findet sich nur ein kleiner funke Wahrheit. Zwar findet Esme Wörter, die herunter fallen und das ein oder andere Wort betrifft dabei auch Frauen, aber eben nicht alle und für mich hat es auch nicht den Eindruck gemacht, dass sie von den Männern "weggeworfen" wurden. Während der Klappentext also nicht ganz dem Inhalt entspricht, schafft die Autorin trotzdem interessante Einblicke in das Leben der Frauen aus der Zeit einzubringen und das in Verbindung mit der Sprache. Vom Schreibstil her lässt sich das Buch sehr schön lesen und die Szenen haben eine angenehme Länge und dadurch, dass das Leben von Esme einen schnelleren Verlauf findet, bekommt die Geschichte etwas an Tempo.
"Die Sammlerin der verlorenen Wörter" hat mir etwas anderes geliefert als ich erwartet habe und hat mich dabei leider eher weniger positiv überrascht. Das Buch ist gespickt von Einblicken in die Arbeit rund um das Oxford English Dictionary und sicher für den ein oder anderen Leser etwas, die großes Interesse daran hegen. Dennoch kommt die Geschichte im Hinblick auf Esme zu kurz und steht für mich mit dem Dictionary nicht zu hundert Prozent im Einklang. Wer jedoch aber nicht unbedingt auf der Suche nach einem sehr emotionalen Roman ist und sich total angesprochen wird, wird bei dem Buch aufjedenfall mit einem gelungenen und angenehm zu lesen Schreibstil belohnt und Szenen, die im einzelnen toll sind.