Elze vom Kalmulehof
Die Autorin breitet mit Elzes Geschichte einen Bilderbogen bäuerlichen Lebens und wichtigen Zeitgeschehens um 1551 vor mir aus. Normalerweise werden Geschichten von Adligen, reichen Kaufleuten und kriegerischen ...
Die Autorin breitet mit Elzes Geschichte einen Bilderbogen bäuerlichen Lebens und wichtigen Zeitgeschehens um 1551 vor mir aus. Normalerweise werden Geschichten von Adligen, reichen Kaufleuten und kriegerischen Auseinandersetzungen erzählt. Die Obrigkeit hat auch hier ihren Platz in der Geschichte . Zwar taucht sie nur punktuell auf, aber da Elze und ihre Familie Eigenbehörige sind, haben diese Begegnungen jedes Mal fundamentale Bedeutung. Mit Elze durchlaufe ich ein ganzes Jahr auf dem Hof. Ich lerne viel über das landwirtschaftliche Arbeiten im Einklang mit den Jahreszeiten und die große Abhängigkeit vom Wetter. Die Zage sind angefüllt mit Arbeit und scheinen nie lang genug zu sein. Deshalb liebt Elze den sonntäglichen Kirchgang, weil sie Zeit zum Träumen hat. Beeindruckend war das damalige Kräuterwissen und die Kenntnisse von Krankheitsbildern. Trotzdem gab es oft genug Fälle, bei denen die damaligen Fähigkeiten nicht ausreichten. Besonders betroffen hat mich Käthes Schicksal, die Frau von Elzes Bruder Drees, die nach einer schweren Geburt an einer Depression erkrankt. Manche mögen die ausführlichen Beschreibungen der täglichen Mühsal als langweilig empfinden, ich fand sie unglaublich interessant.
Elze ist Eigenbehörige und deshalb kann der Amtmann über sie verfügen, wie er will. So muss sie ihren Gesindedienst in Münster ableisten. Das war für Elze ein schwerer Gang, denn sie hatte den Hof noch nie verlassen und dann noch in die große, fremde Stadt, die sie nur aus Erzählungen ihrer Tante Stine kennt. Diese war zur Zeit der Täufer in Münster und durch sie lerne ich ein wenig über die damalige Aufbruchstimmung dort und den anschließenden Schrecken und die Hungersnot während der Belagerung. Elze findet sich schnell ein, sieht viel neues und erfährt durch ihren Dienst beim Domherrn einiges über die politische Lage. Gerade als sie anfängt, sich heimisch zu fühlen, greift die Obrigkeit wieder in ihr Leben ein. Sie wird ohne Vorwarnung auf die Burg Kakesbeck geschickt. Nun ist sie zwar wieder in unmittelbarer Nähe ihrer Familie, kann aber nicht zu ihr zurück, denn sie gehört nun dem Herrn von Oer, der sie gegen eine andere Magd eingetauscht hat. Einziger Lichtblick ,dass Elze dort den Müller Jakob trifft, dem sie sehr zugetan ist.
Ich habe Elze bewundert, die die Eigenschaft besitzt, sich den jeweiligen Umständen anzupassen, ohne ihre Persönlichkeit aufzugeben. Sie ist intelligent, wissbegierig und eine gute Beobachterin. Für mich unfassbar und eine schreiende Ungerechtigkeit, was das Ausgeliefertsein an den jeweiligen Grundherrn für den Einzelnen bedeutet. Menschen werden wie Gegenstände hin und her geschoben und müssen hohe Abgaben leisten.
Zwar fand ich die eingestreuten Informationen über die politische Lage interessant, aber meine Lesefreude hatte ich durch die Schilderungen des täglichen Lebens. Die waren anschaulich und haben mir die Lebensbedingungen der Landbevölkerung nahegebracht. Mit Elze hatte ich eine starke Frauenpersönlichkeit, mir der ich mich identifizieren konnte. Das Buch ist in sich abgeschlossen, hat bei mir aber den Wunsch geweckt, Elze in den Folgebänden weiter zu begleiten.