Heiter und tiefgründig
Ana Aboviczs Leben scheint ganz gut zu laufen, sie hat viele Freunde, reizende und musikalisch begabte, elfjährige Zwillinge und sie fühlt sich wohl in Köln-Nippes, auch wenn eigentlich Serbien ihr Heimatland ...
Ana Aboviczs Leben scheint ganz gut zu laufen, sie hat viele Freunde, reizende und musikalisch begabte, elfjährige Zwillinge und sie fühlt sich wohl in Köln-Nippes, auch wenn eigentlich Serbien ihr Heimatland ist. Das Einzige, was ihr noch fehlt ist ein Job, doch eines Morgens findet sie einen gelben, amtlichen Brief in ihrem Briefkasten, der ihrem jetzigen Leben innerhalb von 28 Tagen ein jähes Ende bereiten würde.
Nach einem Gespräch bei der Ausländerbehörde ist klar, die Abschiebung von ihr und ihren Söhnen Vally und Olly nach Serbien ist rechtmäßig, wenn, …
Ja, wenn sie nicht schnellstmöglich einen Job findet, aber bei schon siebenundsiebzig erfolglosen Bewerbungen schwindet auch diese Hoffnung.
Die zweite Möglichkeit wäre, den Vater der Zwillinge, Udo, finden und zu einem Vaterschaftstest bewegen, aber auch dies gestaltet sich als schwierig, da Udo seit der Geburt der Zwillinge als Hornist durch die Welt reist und Ana nicht weiß, wo genau er steckt.
Die dritte und letzte Möglichkeit wäre ein Mann, doch in der letzten Zeit sah es bei Ana eher mau aus, was dieses Thema betrifft.
Doch Ana lässt sich nicht unterkriegen und kämpft, für sich, die Zwillinge und für ihr Leben in Köln, und dann gibt es da ja noch die echte kölsche Nachbarschaft, die ihr mit Rat und Tat zu Seite steht.
Sylvia Deloy lebt mit ihrer Familie in Köln und bringt mit der Geschichte auch ihre eigene Liebe zu Köln zum Ausdruck. Zeitgleich hat sie es aber auch geschafft, ein sehr vielschichtiges Buch zu schreiben, welches den Leser unterhält und gleichzeitig das Thema Abschiebung und seine Folgen behandelt und dem Leser vor Augen führt, wie dies, gerade für gut integrierte Familien, wie Ana und die Zwillinge, eine existenzbedrohende Tatsache ist.
Die Protagonistin Ana habe ich sofort ins Herz geschlossen, denn sie ist ein sehr fröhlicher, offener und hilfsbereiter Mensch, den man gernhaben muss. Zudem wusste und weiß sie immer was sie will und kämpft dafür. In ihrer Mietergemeinschaft ist sie sehr beleibt und engagiert sich, zum Beispiel bei gemeinsamen Fußballabenden im Garten des Hauses.
Die Zwillinge Vally und Olly mag ich persönlich sehr gerne, sie sind zwei aufgeweckte Jungs, die gerne mit ihren Freunden Fußball spielen, aber auch das Klavierspielen über alles lieben. Darüber hinaus besitzen die beiden ein Talent, auch so mancher ernsten Situation Humor zu verleihen.
Unbedingt erwähnt werden muss auch die Vasa-Torte nach dem Rezept von Oma Liljana, die eine nicht ganz Unwichtige Rolle in der Geschichte einnimmt. Beim Lesen wächst das Verlangen nach einem leckeren Stück Vasa-Torte zum Buch definitiv.
Sylvia Deloys Schreibstil ist sehr ansprechend und unterhaltsam, außerdem möchte man gar nicht mehr aufhören zu lesen, wenn man einmal angefangen hat. Man fiebert mit Ana, durchlebt sowohl Höhen und Tiefen mit ihr, auch gerade, weil ihre Gedanken und Emotionen sehr detailreich beschrieben werden.
Zum Ende hin gibt es auch noch die ein oder andere kleine, überraschende Wendung, die vorher nicht abzusehen war, dem Roman fehlt es nicht an Spannung.
Ein besonderes Merkmal des Romans ist sein Bezug zu Köln. Viele kölsche Traditionen und Gewohnheiten sind in die Geschichte eingebaut, wie kölsche Lieder, der Karneval und die Kölner Lichter. Gerade für Leser aus der Region, die mit alle dem vertraut sind, macht es Spaß den Roman zu lesen und sich vielleicht an der ein oder anderen Stellen wiederzuentdecken.
Insgesamt würde ich das Buch unbedingt weiterempfehle, da es auf der einen Seite sehr gut unterhält, aber auf der anderen Seite auch tiefgründig ist und ein mitunter aktuelles Thema gekonnt aufbereitet.