Ein weiblicher Lebensweg zwischen Sexismus, Autismus und Klassismus
In ihrem Buch Strong Female Character gibt die erfolgreiche Comedian Fern Brady Einblicke in ihren Lebensweg als Frau mit Autismus und den langen und schmerzhaften Weg zu einer Diagnose, als Frau im Comedybusiness, ...
In ihrem Buch Strong Female Character gibt die erfolgreiche Comedian Fern Brady Einblicke in ihren Lebensweg als Frau mit Autismus und den langen und schmerzhaften Weg zu einer Diagnose, als Frau im Comedybusiness, als Frau mit Autismus aus der Arbeiterschicht an der Universität und als Frau in einem katholisch geprägten Milieu und entsprechender Erziehung. Das Gefühl „falsch“ zu sein, mag dabei nicht nur an ihrer Diagnose liegen, sondern, dass sie als selbstbewusste, junge Frau mit Autismus aus vielen der sie umgebenden Normen herausfällt, sei es in der Familie, dem Gesundheitssystem oder auch an der Universität. So bewegt sich die Autorin nicht nur zwischen Sexismus und Autismus, wie es der Titel suggeriert, sondern auch Sexismus im Autismus und dem Gesundheitssystem sowie Klassismus. Hier überlagern und verstärken sich Sexismus, Ableismus und Klassismus gegenseitig. Als weitere Ebene wirken, durchaus auch in Verflechtung, die starren Normen des Katholizismus.
Gerade durch ihre Erfahrungen im Gesundheitssystem wird für mich sehr deutlich, dass in unserer Gesellschaft und all ihren Teilbereichen ganz offensichtlich jede Abweichung von einer gesunden, männlichen Norm, mit Barrieren und massiven individuellen Nachteilen verbunden ist. Alles was davon abweicht, wird in einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft als störend empfunden.
Aus meiner Sicht wird auch sehr deutlich wie bereichernd eine Perspektive wäre in der wir jenseits von oft hierarchisierenden Normvorstellungen, die in der Regel an patriarchale-kapitalistische Diskurse anknüpfen, echte Vielfalt in unserer Gesellschaft leben und anerkennen würden.
Der Stil der Autorin ist authentisch und für mich gut zu lesen. Ich persönlich mag die Unmittelbarkeit mit der die Autorin ihre Gedanken teilt, als ob man an ihrem Denken und ihrer Lebenswelt beim Lesen teilhat. Die Ereignisse sind dabei nicht durchgängig chronologisch, manchmal sprunghaft, wie es auch für sie selbst sein mag.
Ich habe den Eindruck und finde es bewundernswert, dass die Autorin eine gewisse Stärke aus ihren Erfahrungen gezogen hat und gleichzeitig empfinde ich es als unglaublich traurig und beschämend für unsere Gesellschaft, dass sie diese Erfahrungen machen musste. Das Gefühl „falsch“ zu sein, egal ob in einem weiteren gesellschaftlichen Kontext oder sogar innerhalb der Kernfamilie wird sehr gut beschrieben und ich kann mir nur im Ansatz vorstellen, was das für ein Kind und eine junge Frau bedeuten muss. Ich habe bei meinen Gefühlen während der Lektüre daher sehr zwischen Bewunderung für die Autorin, Mitgefühl, Traurigkeit und auch ganz viel Wut auf unsere Gesellschaft geschwankt, die Fern Brady diesen Weg hat gehen lassen. Für mich ein wichtiges Buch mit einer absoluten Empfehlung!