Super Romandebüt
Bereits das wunderschöne Buchcover des im Lübbe Verlag erschienenen Romans von Armando Lucas Correa „Das Erbe der Rosenthals“ lässt auf ein Buch schließen, das sich mit Abschied und Sehnsucht nach der ...
Bereits das wunderschöne Buchcover des im Lübbe Verlag erschienenen Romans von Armando Lucas Correa „Das Erbe der Rosenthals“ lässt auf ein Buch schließen, das sich mit Abschied und Sehnsucht nach der Heimat sowie der damit verbundenen Zerrissenheit beschäftigt. Ein Mädchen das einsam an Deck eines Schiffes steht und gedankenverloren auf die stille Weite des Meeres blickt; der Leser fragt sich sofort ohne nur eine Zeile gelesen zu haben, welches Schicksal dieses kleine Mädchen wohl ereilt hat.
Der Autor erzählt in 3 Erzählsträngen und 3 Abschnitten – aus Sicht der 12 jährigen Hannah, aus Sicht derselben jetzt 87 jährigen Hannah sowie aus der Sicht ihrer ebenfalls 12 jährigen Großnichte Anna - die Familiengeschichte der jüdischen Familie Rosenthal.
Der Leser taucht ein in die Welt des Jahres 1939 kurz vor Ausbruch des
2. Weltkrieges und erfährt wie die 12-jährige Hannah, ihre wohlhabenden, gebildeten Eltern sowie ihr Freund Leo und dessen Vater den immer größer werdenden Hass gegen Juden erleben. Hannahs Vater darf nicht mehr an die Uni zur Arbeit, die Mutter verschanzt sich nur mehr heulend in der Wohnung während Hannah und ihr Freund Leo trotz der Beschimpfungen wie „Gewürm“ nach wie vor Berlin als ihre Heimatstadt lieben und sie gemeinsam immer wieder aufs Neue erkunden.
Allerdings wird der Druck der Barbaren – wie Hannah die Nazis nennt – immer größer und die Rosenthals sowie Leo und sein Vater beschließen mit der St. Louis, einem großen Passagierschiff, nach Kuba zu fliehen.
Die Zeit auf diesem Schiff, das die Flüchtlinge nach Kuba bringen soll, ist die schönste Zeit im Leben von Hannah, sie wird wieder mit Respekt behandelt, tollt wie ein normales 12 jähriges Mädchen mit ihrem Freund Leo über das Schiff und kann einige unbeschwerte Stunden erleben. Die Fahrt nach Kuba endet allerdings in einer Tragödie, da Kuba den Flüchtlingen trotz bei Abreise gültiger Dokumente die Einreise verwehrt. In Kuba gehen nur ca. 20 Flüchtlinge von Bord, darunter Hannah und ihre schwangere Mutter, der Vater muss an Bord bleiben und stirbt schließlich in einem Konzentrationslager in Ausschwitz. Dieser Schicksalsschlag lässt Hannah und ihre Mutter ein Leben lang mit Kuba hadern, weil die Familie ohne Verabschiedung zerrissen wurde und Hannah von ihrer Jugendliebe Leo getrennt wurde, ohne ihn je wieder zu sehen. Das einzige was ihr von ihm blieb, war ein Ring, den sie ein Leben lang verschlossen aufbehält, um ihr Versprechen einzulösen, die Schachtel erst im Alter von 87 Jahren zu öffnen, sollten sie davor nicht wieder zusammenfinden.
Hannah bleibt auch von der Revolution in Kuba nicht verschont, bei dem ihr ein zweites Mal ihr hart erarbeitetes Eigentum und somit wieder ein Stück weit Freiheit genommen wird.
Parallel wird die Geschichte von Anna und ihrem Vater erzählt, den sie nie kennengelernt hat, weil er am 11. September 2001 beim Terroranschlag in New York ums Leben kam, bevor sie geboren wurde. Annas Mutter erhält Briefe von Hannah und so erfährt Anna, dass sie eine Großtante in Kuba hat. Sie besucht mit ihrer Mutter Hannah in Kuba und erfährt vom schrecklichen Schicksal der Großtante, vom Leben ihres Vaters auf Kuba und ist glücklich endlich ihre Wurzeln zu kennen. Hannah ihrerseits ist glücklich endlich eine „Erbin“ der Rosenthals zu haben, die ihrer würdig ist. Sie nimmt sogar wieder ihren ursprünglichen Namen „Rosenthal“ an, den sie auf „Rosen“ geändert hatte, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen und ihre jüdischen Hintergrund zu verschleiern.
Das Erbe der Rosenthals ist ein sehr aufwühlender Roman, in dem der Leser hautnah erfährt, wie es sich anfühlt diskriminiert zu werden aufgrund von Religion oder Abstammung. Dass die St. Louis tatsächlich in See gestochen ist und fast alle der Flüchtlinge auch starben verleiht dem Roman noch zusätzliche Dramatik, obwohl die Handlung eine fiktive ist. Bis heute hat Kuba kein Schuldzugeständnis zum Einreiseverbot gemacht.
Der Roman zeigt auch wie schnell sich Geschichte wiederholen kann, hier bei einer einzigen Familie, auf verschiedenen Kontinenten viele Jahrzehnte später.
Der flüssige und gefühlvolle Schreibstil geht dem Leser sofort ans Herz und rührt stellenweise zu Tränen. Ich kann dieses Familienepos nur jedem empfehlen, da dieser Roman zum Nachdenken anrührt und länger im Gedächtnis bleibt, als so manch andere Geschichte und aufzeigt wie wichtig Heimat und Familie schlussendlich wirklich ist.