Veröffentlicht am 05.05.2024
Bereits das Cover gibt dem Leser einen gelungenen ersten Eindruck von der Atmosphäre. Bonnies blonde Locken und der Sternenstaub um sie herum hebt das verwunschene und verträumte hervor. Diese Verwunschenheit ...
Bereits das Cover gibt dem Leser einen gelungenen ersten Eindruck von der Atmosphäre. Bonnies blonde Locken und der Sternenstaub um sie herum hebt das verwunschene und verträumte hervor. Diese Verwunschenheit ist eins der wichtigsten Elemente der Handlung. Hervorragend gelungen wäre das Cover meiner Meinung nach, hätte die Protagonistin zudem ihre Kopfhörer auf. Das Buch lebt inhaltlich von der mitreißenden Wirkung der Musik auf den Menschen und auf jeder Seite der Leseprobe wird die starke Verbundenheit Bonnies zur Musik hervorgehoben. Musik ist somit ein großer Bestandteil ihrer Welt geworden. Die Kopfhörer zusätzlich wären daher äußerst treffend gewesen.
Die Leseprobe ermöglicht einen sehr guten Ersteindruck von den wichtigsten Charakteren und deren Beziehungen zueinander (Bonnie, Mutter, Amy, Dee und Bonnies Vater). Im Vordergrund steht dabei natürlich die Protagonist*in Bonnie.
Direkt im ersten Kapitel wird durch den Schreibstil eine graue und triste Atmosphäre geschaffen, die Bonnies Gefühlswelt widerspiegeln soll. Die Lebenssituation von ihr und ihrer Mutter, welche primär durch den Autounfall ihres Vaters entstanden ist, erscheint sehr schwierig und überfordernd. Wie eine Realität, aus der man entfliehen will.
Die Autorin schafft bereits zu Beginn diese Verbindung zwischen schwieriger Realität und utopischer Flucht und aus ihr, hinein in eine durch die Musik geschaffene Traumwelt.
Die Musik wird mithin als Elixier der Erzählung bereits zu Beginn wahrgenommen. Die Lieder, Interpreten und Genres erschaffen in der Leseprobe durchgängig die von der Autorin gewollte Atmosphäre. Der Leser kann somit direkt tief in Bonnies Leben eintauchen, was die Macht der Musik auf die menschliche Psyche verdeutlicht.
Diese Macht ist vor allem das, was Bonnie schon ihr Leben lang erfährt und durch die Zeitreisen noch mehr zu spüren bekommt.
Auch bei den anderen Charakteren scheint Musik von großer Priorität zu sein. So war ihre Mutter in einer Band und hört ebenfalls viel Metal. Sehr bedeutungsvoll finde ich zudem den Moment als beide zusammen im Auto zur Schule sitzen und Bonnies Gedanke ,,die Musik (...) spricht für uns." fällt (S. 14 , Z. 18f.).
Bedeutsam finde ich auch den Kontrast in der Darstellung von Bonnies Charakter. Sie hat blasse Haut, die Sonne ist ihr meistens zu grell, ist von Albträumen geplagt und wirkt antriebslos, was sie als innerlich sehr traurig und dunkel darstellen lässt. Bonnies mentale Gesundheit scheint zudem sehr fraglich zu sein. Sie weiß bereits, wie sie ihren ,,Zombie - Modus" abstellt (vgl. S.12), ist dankbar von ihrer Mutter nach der Umarmung den gewünschten Raum zu bekommen (vgl. S. 149) und muss sich ermahnen, aus ihrer Traumwelt wach zu werden (vgl. S.14). Gleichzeitig ist der Sommer aber ihre Lieblingsjahreszeit, sie hat blonde Locken (die ebenfalls auf ihr verträumt sein hindeuten) und hört Metallica die als sehr energievolle und ungestüme Band bekannt sind.
Die Autofahrt mit ihrer Mutter zur Schule zeigt andererseits aber auch, wie schnell sich ihre Stimmung durch äußere Einflüsse verändern kann. Auch im weiteren Verlauf der Leseprobe wird deutlich, dass Bonnie keine Person von schwarz oder weiß ist. Durch ihre Schwärmen für Dee, die Vergangenheit mit Luca und ihren Gedanken zum Verliebtsein ,,heute in die Eine, morgen in den Nächsten" (S.23) wird ihre Bisexualität klargestellt. Diese Vielseitigkeit macht Bonnie zu einer außerordentlich interessanten Protagonist*in und der Leser ist gespannt, wie sich ihr Charakter im weiteren Verlauf entwickelt.
Faszinierend ist ebenfalls die Freundschaft zwischen Bonnie und Amy. Ein Aspekt wird direkt klar: Amy ist das komplette Gegenteil von Bonnie. Sie ist energiegeladen, freudig, motiviert, hilfsbereit, ihr Leben scheint farbenfroh und sie ist immer gut gelaunt. Es scheint, als liebe sie alles strahlend und farbenfrohe, mag aber paradoxerweise keinen Sommer. Zudem hat Amy im Gegensatz zu Bonnie einen kleinen Bruder. Amy mag Katzen, Bonnie mag Hunde. Es bleibt abzuwarten, ob sich ihre Freundschaft im weiteren Verlauf noch mehr festigt, oder sie diese vielen Gegensätze trotz ihrer gemeinsamen Vergangenheit langsam auseinander ziehen.
Gespannt ist der Leser natürlich auch auf den weiteren Handlungsfortgang im Bezug auf Dee. Sie ist Bonnies Mitschülerin aus der Parallelklasse und vor allem ist sie eines: mysteriös. Mit ihrer schwarzen Lederjacke, dem Undercut, schwarzen Kajal, blassen Lippen und ,,meergrünen" Augen wirkt sie auf Bonnie unergründlich, unnahbar und ,,viel zu cool". Lea Kalb hat mit den paar äußerlichen Merkmalen und der Beschreibung ihrer Außenwirkung direkt ein präzises und gut vorstellbares Charakterbild geschaffen. Es wird spannend werden zu erfahren, was für eine Verbindung Bonnie und Dee im Laufe der Handlung aufbauen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass direkt eine Diskrepanz zwischen Amy und Dee zu herrschen scheint. Denn so sehr wie Bonnies Interesse und Dees Wirkung auf sie hervorgehoben wird, so stark verspürt der Leser die von Amy ausgehende angespannte Haltung, welche Dee direkt als die Schuldige des Problems sieht.
Die Zeitreisen stehen natürlich auch im Fokus der Geschichte. Ein erster Eindruck konnte hier durch die Zeitreise in die Vergangenheit nach Italien gewonnen werden. Bonnie scheint plötzlich die Version ihren Urlaubs zu leben, die sie sich immer ausgemalt hat. Ihr Vater lebt und ihre Eltern lieben sich, sie fühlt sich unbeschwert, spricht und versteht italienisch und führt zu guter letzt eine Beziehung mit Luca. Er ist der erste Junge, in den sie sich verliebt hatte. Es scheint ihr, als wäre es ein ,,wundervoller Sommer" (S. 38).
Neugierig bin ich besonders darauf, wie die Handlung in Italien weitergeht und ob Bonnie anfängt sich auf die Zeitreisen einzulassen oder weiterhin alles hinterfragt. Entweder wird sie sich in diesen anderen Welten verlieren oder versuchen jedes Mal wenn sie in der Realität ist, die Gefühlen und stückweise das Erlebte aus veränderten Vergangenheiten in die Gegenwart zu übertragen. Vielleicht wird sie auch viel daraus für ihre Gegenwart lernen. Ebenso spannend wird zu erfahren sein, ob sie ihre Mutter und Amy mit einweiht oder sie die beiden zunächst für eine Zeit in Unwissen lässt. Vielleicht kommen die beiden auch plötzlich dahinter, weil sich Bonnie immer mehr zurückzieht und sich verändert. Auch könnte ich mir vorstellen, dass der ein oder andere ehemalige Crush in der Realität wieder auftauchen. Auch bin ich gespannt welche Rolle Dee in der Handlung einnimmt und ob sie und Bonnie trotz allem am Ende zusammenfinden.
Im Gesamten überzeugt mich die Leseprobe sehr und ich würde mich riesig freuen, bei der Leserunde dabei sein zu dürfen:)