Liebe, Doppelspiel und Verrat im Zweiten Weltkrieg
Eines vorneweg: Ein Agentenkrimi im Sinne von James Bond ist Kjell Ola Dahls “Die Frau aus Oslo” nicht. Statt rasanter Verfolgungen und viel Dramatik geht vieles hier subtiler, bedächtiger und ruhiger ...
Eines vorneweg: Ein Agentenkrimi im Sinne von James Bond ist Kjell Ola Dahls “Die Frau aus Oslo” nicht. Statt rasanter Verfolgungen und viel Dramatik geht vieles hier subtiler, bedächtiger und ruhiger zu. Um Agenten und doppeltes Spiel, um Liebe und Verrat auf mehreren Ebenen geht es gleichwohl, ebenso um die Frage, wie Kriegs- und Gewalterfahrungen Menschen verändern.
Statt eines Überagenten gibt es in dem norwegischen Kriminalroman gleich mehrere Zeit- und Handlungsebenen, die von der Gegenwart bis in die Zeit der deutschen Besatzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg führen. Nicht immer ist die Verbindung zwischen den Punkten allerdings geglückt.
Anfang und Ende – und hier wirkt die Handlung ein wenig konstruiert ist ein Armband, das die Norwegerin Turid in einem Zeitungsartikel über eine Auktion sieht und als das ihrer ermordeten biologischen Mutter erkennt. Turid will die Versteigerung stoppen, läuft dabei jedoch gegen Wände. Und schon findet sich der Leser im Oslo der deutschen Besatzungszeit, wo die Jüdin Ester in der Widerstandsbewegung aktiv ist. Als ihr Vater verhaftet wird, flüchtet sie zunächst zu ihrer besten Freundin, der jungen Mutter Ase. Auch Ases Geliebter Gerhard ist im Widerstand aktiv.
Von Turid und dem Armband ist dann erst mal wenig die Rede – statt dessen springt die Handlung munter zwischen 40-er und späten 60-er Jahren vor und zurück. Ase wird nach einer Liebesnacht mit dem Mann, der später ihre Tochter Turid adoptiert, ermordet, die Gestapo und die mit ihr zuammenarbeitende norwegische Polizei gibt den früheren Spanienkämpfer Gerhard schnell als Tatverdächtigen aus. Doch wer hat Ase getötet? Wer war das Leck in der Widerstandsgruppe, das fast zu einer Festnahme Esters führte? Welche Verbindungen unterhält Gerhard, ist er Opfer oder Täter?
Das sind die Fragen, mit denen sich der Leser herumschlagen muss und zu denen Dahl mehr Mutmaßungen als Antworten bereithält. Denn als die Beteiligten von damals im Jahr 1967 wieder aufeinander treffen, herrscht zwischen den einstigen Kampfgenossen vor allem Misstrauen. Von altem Verrat ist die die Rede, von Abrechnungen wird gemutmaßt, jeder belauert jeden und nimmt erst einmal nur das Schlimmste an.
Das hat ein paar Längen, doch wer sich auf das Buch einlässt, wird von der düsteren und paranoiden Stimmung durchaus gefesselt. Einige Fragen bleiben unbeantwortet, wenn die Puzzlestücke spät zusammenfallen und es dann doch noch recht dramatisch wird. Wenn auch auf eine unterkühlte, unaufgeregte nordische Weise. Am Ende hat auch Turid ein paar Antworten, auf die sie ein Leben lang gewartet hat – womöglich mit ein paar neuen Fragen.
Mitunter ist an diesem Roman unbefriedigend, dass sich Dahl nicht so recht zwischen Kriegsroman und Krimi zu entscheiden scheint. Letztlich ist “Die Frau aus Oslo” beides, und wer sich auf das zurückhaltende Tempo einlässt, wird nicht enttäuscht sein. Vieles erschließt sich hier eben erst auf den zweiten oder dritten Blick, muss hinterfragt und beobachtet werden. Gerade mit Ester hat “Die Frau aus Oslo” eine interessante und vielschichtige Protagonistin. Die mitunter spröde Art der Erzählweise hat durchaus ihren Reiz. Es muss halt nicht immer James Bond sein.