Veröffentlicht am 26.09.2024
Enorm vielversprechender Thriller für alle Sinne!
Der Einstieg ist packend und niedrigschwellig gestaltet. Der Charakter Ben bietet hohes Identifikationspotential und lässt einen schnell in die Handlung ...
Enorm vielversprechender Thriller für alle Sinne!
Der Einstieg ist packend und niedrigschwellig gestaltet. Der Charakter Ben bietet hohes Identifikationspotential und lässt einen schnell in die Handlung eintauchen. Auch der subtile Sinn für Humor tut der sich aufbauenden Spannung keinen Abbruch: im Gegenteil, die anekdotischen Gedankenspiele des Portiers kann wohl ein jeder teilen, der ein bisschen Erfahrungen in der Gastronomie- und Hotelbranche gesammelt hat. Sofort geht es energiegeladen los, als dieser das dunkle, verlassene Hotel erkundet. Das Setting lässt bereits nichts Gutes ahnen, und so kommt es auch: Ben entdeckt die erste Tatort-Installation. „Er hat es gesehen“- natürlich beginnt nun das Rätseln: wer ist dieser ominöse „er“… Ben, der Kommissar, der Hotelbesitzer, der Doktor oder doch ein noch völlig Unbekannter?
Eine herausfordernde Aufgabe, vor die der Kommissar Marc Davids und seine Kollegin Zoé Martin gestellt werden. Dabei bin ich gespannt, wie sie im Laufe der Handlung miteinander interagieren werden. Der erfahrene und posttraumatisch belastete Marc und die frische, scheinbar unverwüstliche Zoé: Konfliktpotenzial oder ein Dreamteam, das sich in seinen Stärken und Schwächen unterstützt und ergänzt?
Wer ihnen dabei mit Sicherheit Steine in den Weg legen wird, ist das bisher noch undurchsichtig Trio aus Geschäftsführer, Assistentin und schnöseligem Sohnemann, das kein gutes Haar an den Ermittlungen lässt. Ist es wirklich die Sorge um den Ruf, die die Geheimniskrämerei rechtfertigen? Oder haben die Drei am Ende selbst Dreck am Stecken? Eine interessante Dynamik, die eine spannende Wendung nehmen könnte.
Was ich bisher noch überhaupt nicht einordnen kann, sind die mysteriösen YouTube Videos, die kurz nach dem Entdecken der Tatorte veröffentlicht werden. So oder so ist dies eine interessante Referenz zum aktuellen Zeitgeschehen: immer häufiger werden gewalttätige Videos auf den sozialen Medien verbreitet, sei es aus purer Sensationslust (sogenanntes „Gaffen“) oder aus Rachemotiven, wie bei Rufmordkampagnen. Ein spannendes Themengebiet, das sich lohnt weiter dramaturgisch aufzuarbeiten.
Auch die bildreiche Darstellung von Marcs Panikattacke ist ein zeitaktuelles Thema: die Geschichte des unverwundbaren Helden, an dem sämtliche Grausamkeiten spurlos vorbeigehen, hat sich auserzählt. Psychische Erkrankungen, insbesondere bei Männern sind aber immer noch ein Tabu-Thema, mit dem sich Marc konfrontiert sieht. Ich bin gespannt, wie er mit seinen Ängsten umgeht und diese mit den Ermittlungen vereinbaren möchte. Werden ihm seine Panikattacken noch zum Verhängnis? Vertraut er sich jemandem an? Vielleicht wird er auch der erste Buchcharakter, der sich im Verlauf der Handlung professionelle Hilfe sucht, es bleibt abzuwarten.
Dem Autor gelingt es, durch seinen bildlichen Schreibstil alle Sinneseindrücke anzuregen, was noch einmal die Thematik des Thrillers unterstreicht: die herausgerissen Augäpfel und die abgeschnittenen Ohren zielen offensichtlich auf die damit verbundenen Sinne ab. Man fröstelt mit Ben mit, hat ebenfalls den metallenen Geschmack von Blut auf der Zunge und bildet sich ein, ebenfalls ein leises Wimmern zu hören.
Nun noch Kurz zum Cover: wie auch schon die anderen Bücher der Reihe ist die Titelseite in einem abstrakten, düsteren Design gehalten. Der narbenähnliche Schnitt durch die Frontseite bricht die ansonsten sehr „cleane“ Illustration. Wer das Buch in die Hand nimmt, weiß in jedem Fall, worauf er/ sie sich einlässt, viel mehr erwarte ich von einem Cover auch nicht.
Fazit: Dass ich die Leseprobe verschlungen habe, spricht wohl für sich. Packender Schreibstil und enormes Spannungspotential. Ich bin gespannt auf mehr!