Autorinnenstimme wird weiter geschärft
Nachdem es bei mir schon große Begeisterung heraufbeschworen hat, als von Anabelle Stehl, die ich bereits seit ihren Blogger-Zeiten kenne, die „Away“-Reihe erschienen ist, ist natürlich die zweite Reihe ...
Nachdem es bei mir schon große Begeisterung heraufbeschworen hat, als von Anabelle Stehl, die ich bereits seit ihren Blogger-Zeiten kenne, die „Away“-Reihe erschienen ist, ist natürlich die zweite Reihe immer noch besonderer, denn da heißt es endgültig zu beweisen, dass man keine Eintagsfliege ist. Schon in der ersten Reihe ist deutlich aufgefallen, dass Stehl sich eine ganz eigene Autorinnenstimme angeeignet hat und diese schärft sich mit „Worlds Collide“ noch einmal mehr und dennoch sind die Reihen nicht miteinander zu vergleichen und das ist das zweite geforderte Talent, dass man eine Stimme hat, sich aber dennoch ständig neu erfindet.
Die „World“-Reihe spielt in der Welt der Influencer. Nun wahrlich nicht meine eigene Lebenswelt und wahrscheinlich muss ich zugeben, dass ich tendenziell eher vorurteilbehaftet bin, weil ich richtig ehrliche Stimmen da viel zu selten entdecken. Mit Anne Pätzold habe ich aber auch K-Pop entdecken dürfen und habe mich darauf einfach eingelassen und wurde belohnt. So ist es mir jetzt auch bei „Worlds Collide“ gegangen, denn es war schon faszinierend, mit Fiona und Demian hinter die Kulissen zu blicken. Zumal sie beide auch völlig unterschiedliche Teile dieser Welt darstellen, weswegen der Buchtitel auch so perfekt gewählt ist, denn es treffen wirklich zwei Menschen aufeinander, die auf einem Portal gemeinsam unterwegs sind, aber dennoch nicht unterschiedlicher darüber denken könnten. Für Fiona war Social Media eine Möglichkeit, aus ihrem Leben auszubrechen und das zu finden, worauf es im Leben wirklich ankommt. Für Demian ist es nur Mittel zum Zweck, denn eigentlich will er nur auf seinen Traum hinarbeiten, an einer besonderen Akademie für Astronomie angenommen zu werden, denn das ist, wofür er brennt. Hiermit werden dann auch die persönlichen Unterschiede zwischen Demian und Fiona verdeutlicht, denn er ist Wissenschaftler, er zerdenkt alles, Fiona ist der kreative Kopf, sie entscheidet aus dem Bauch heraus, immer ihren Instinkten folgend. Dennoch ist es keine „Frenemies“-Geschichte, denn man merkt deutlich, dass Demian dafür auch gar nicht der Typ ist. Er hat das Herz auf dem rechten Fleck und als er erstmals etwas bei Fiona etwas erahnt, was er ihr aberkannt hat, da will er das wiedergutmachen.
Alleine an diesem Abschnitt dürfte man schon gemerkt haben, dass mich die Figuren an sich schon vollkommen fasziniert haben. Ich habe weder bei Fiona noch bei Demian alles mittragen können, was sie tun und was sie denken, aber das ist auch gar nicht die Aufgabe. Es ist einfach die Aufgabe, dass ich die Charaktere verstehe, mich in sie hineinversetzen will, um dann mit ihnen zu leiden. Das ist definitiv gelungen. Bei Fiona ist es natürlich vor allem ihre schwere Kindheit und besonders das Verhältnis zu ihrer Mutter, was mich als Leserin sehr mitgenommen hat. Ich fand es gut, dass hier konsequent eine toxische Beziehung inszeniert wurde, ohne am Ende ein unrealistisches Happy End zu erzwingen, denn das hätte zu dieser Geschichte nicht gepasst. Es war verdammt hart mitzuerleben, wie Fionas Mutter denkt und handelt, aber es war in sich konsequent und es war der entscheidende Teil, der Fionas Reise zu sich selbst ausgelöst hat. Bei Demian sieht es so düster gar nicht aus, weil er eine herzensgute Familie hat und dennoch hat auch er seine Dämonen, weil er den einen großen Traum hat, der ihm bislang verwehr wurde und weil er sich deswegen nicht gut genug fühlt, vor allem für seine Familie nicht. Das Schöne bei Demian ist aber, er ist jemand, der zu seinen Fehlern steht und das erkennt man sofort. Durch Fionas Perspektive wird anfangs ein feindliches Bild gezeichnet, doch das kann er mit seiner eigenen Perspektive schnell aufheben, denn es ist klar, dieser Kerl kann nichts Böses wollen. Er handelt nicht immer geschickt, vermutlich auch, weil er immer erst alles genau bedenken muss und dann die Abfahrt verpasst, aber es sind eben die Gegensätze, die hier spannend sind, weil die beiden einen Weg finden, daraus Gemeinsamkeiten zu machen und das ist es doch eigentlich, was Beziehungen zentral ausmachen sollte.
Fiona und Demian haben wahrlich keine Wirbelwind-Romanze und auch extreme Erotik wird hier nicht geboten, aber das ist auch Teil von Stehls Stil. Ihr geht es mehr um das Zwischenmenschliche, um die emotionale Ebene und das respektiere ich sehr, weil es auch Raum für die Themen schafft. Neben dem Einblick in die Welt der Influencer geht es auch um Cancel Culture, eben auch um toxische Themen und diese müssen ja erstmal so transportiert werden, damit sie mit mir als Leserin etwas machen und das ist geschafft worden. Gerade Fiona ist auch eine Figur bei Social Media, die ich mir da immer wünsche, weil man ihre ehrlichen Absichten wirklich gut nachvollziehen können. Aber es ist dennoch eine komplizierte Welt und ich bin gespannt, welche Höhen und Tiefen uns noch geboten werden. Letztlich hatte ich auch noch ein paar Fragezeichen zu einigen Kleinigkeiten, aber alles in allem hat mich das beim Lesen nicht wirklich gestört, weil die Geschichte an sich dennoch rund war.
Fazit: „Worlds Collide“ ist bislang definitiv das beste Buch von Anabelle Stehl und auch ohne Vergleiche ist es eine wirkliche Hausnummer. Hier hat es sich gelohnt, dass es so viele Seiten geworden sind, denn es wird alles schön rund und zufriedenstellend erzählt. Die Themen bekommen den Raum, den sie verdient haben und dabei bleibt es dennoch stets kurzweilig. Das Buch kann ich also wirklich nur von Herzen empfehlen, auch weil es in dem Genre New Adult sich deutlich positioniert bekommt.