Leserunde zu "Die vier Gezeiten" von Anne Prettin

Ein Roman, so kraftvoll und mitreißend wie Ebbe und Flut
Cover-Bild Die vier Gezeiten
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Anne Prettin (Autor)

Die vier Gezeiten

Roman

Die Kießlings gehören zu Juist wie die Gezeiten. Als Patriarch Eduard das Bundesverdienstkreuz erhält, kommen sie alle zusammen: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Doch in die Generalprobe platzt Helen aus Neuseeland, die behauptet, mit der Sippe verwandt zu sein. Und tatsächlich: Sie ist Adda wie aus dem Gesicht geschnitten. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Denn Adda ahnt: Der Schlüssel zur Wahrheit liegt im familieneigenen Hotel de Tiden, dort, wo vor 75 Jahren alles begann.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 28.12.2020 - 17.01.2021
  2. Lesen 01.02.2021 - 21.02.2021
  3. Rezensieren 22.02.2021 - 07.03.2021

Bereits beendet

Schlagworte

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Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 23.02.2021

Interessante Familiengeschichte

1

Die vier Gezeiten, das sind die vier Töchter von Eduard und Adda Kießling, die ein großes Hotel auf der Nordseeinsel Juist besitzen. Zwei der Töchter sind munter wie die Flut, zwei eher ruhig wie die Ebbe. ...

Die vier Gezeiten, das sind die vier Töchter von Eduard und Adda Kießling, die ein großes Hotel auf der Nordseeinsel Juist besitzen. Zwei der Töchter sind munter wie die Flut, zwei eher ruhig wie die Ebbe.
Doch Wanda, die älteste Tochter, ist vor vielen Jahren im Meer ertrunken, das Geschehen konnte nie ganz aufgeklärt werden.
Als Eduard Kießling das Bundesverdienstkreuz bekommen soll, werden aufwändige Vorbereitungen getroffen. Doch plötzlich taucht Helen auf, eine junge Frau aus Neuseeland, die ihre Mutter sucht. Angeblich soll ein Foto beweisen, dass diese auf der Insel gelebt hat. Durch Helen werden bei Adda und ihrer senilen Mutter Johanne Erinnerungen geweckt, die das ganze komplizierte Familiengefüge zum Einsturz bringen könnten.
Das Buch ist sehr spannend geschrieben und die Fäden werden erst am Schluss entwirrt. Deshalb habe ich es gern und schnell gelesen.
Allerdings hätte ich mir eine Übersichtskarte über die Familienverhältnisse gewünscht, denn manchmal ist das Gefüge der Beziehungen sehr verwirrend und man muss sich sehr konzentrieren, um die Übersicht zu behalten.
Auch fand ich die Fülle von Themen, die in dem Buch angesprochen wurden, einfach zu viel. Die Nazis, die "Schule am Meer", die DDR-Vergangenheit, Enteignungen und Flucht, Umweltschutz und Politik, Probleme mit Adoptionen, uneheliche Kinder und heimliche Geliebte - viele Geheimnisse, über die nie gesprochen wurde und trotzdem im Hintergrund Einfluss auf die Familie ausüben. Da wäre weniger sicher mehr gewesen.
Trotz dieser kleinen Schwächen fand ich das Buch gut zu lesen, zumal es an der Nordsee spielt, die ich sehr liebe.

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Veröffentlicht am 06.03.2021

„Geht eine Welt unter, geht eine andere wieder auf, mit vielen neuen Geheimnissen“ - Onno

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Die Kießlings leben seit jeher auf der Nordseeinsel Juist und zeigen - nach Außen hin - die perfekte Vorzeigefamilie. Der Familienpatriarch Eduard Kießling schätzt dabei nichts größer als seine geregelte ...

Die Kießlings leben seit jeher auf der Nordseeinsel Juist und zeigen - nach Außen hin - die perfekte Vorzeigefamilie. Der Familienpatriarch Eduard Kießling schätzt dabei nichts größer als seine geregelte Ordnung und seinen tadellosen Ruf. Ärgerlich nur, dass gerade in dem Moment, in dem die ganze Familie Kießling in den Vorbereitungen für Eduards Auszeichnungsfeier mit dem Bundesverdienstkreuz die junge Helen aus Neuseeland auftaucht. Helen, die Eduards Frau Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, behauptet ein Mitglied der Familie zu sein und ihre leiblichen Eltern zu suchen. Im Mittelpunkt des Romans stehen insbesondere die Geschichten der Frauen Johanne die während der NS-Zeit auf Juist groß wird, deren Tochter Adda die während des Krieges zunächst in Dresden lebt und später nach Juist flieht und der jungen Helen aus Neuseeland, deren Verbindung zu den Kießlings noch geklärt werden muss.

Das ansprechende Cover und der Einstieg in die Geschichte - ein mysteriöser Tagebucheintrag aus dem Jahr 1978, der eine junge Frau zeigt, die sich das Leben nehmen möchte - lassen hohes Erwarten. Man möchte nach den ersten Kapiteln am liebsten direkt den Ausgang der Geschichte erfahren: Wie hängen die Geschichten der Kießlings und der jungen Helen zusammen? Was ist mit der jungen Frau aus dem Tagebucheintrag passiert? Doch trotz des guten Einstiegs konnte mich die Spannung leider nicht bis zum Ende fesseln. Die Geschichte der jungen Helena rutscht etwas zu stark in den Hintergrund. Hier war es auch nicht hilfreich, dass die Geschichte so viele verschiedene Handlungsstränge beinhaltete. Es wurde nicht nur aus der Perspektive mehrerer Protagonisten erzählt, sondern ihre Geschichten hüpften von einem Jahr zum nächsten, wodurch es gerade zu Beginn des Romans sehr schwierig war, einen Überblick über die verschiedenen Figuren und Handlungsstränge zu behalten.
Der Schreibstil und das Thema des Buches sind sehr gut gelungen. Anne Prettin schafft es, dem Leser ein lebendiges Bild der Insel Juist zu vermitteln und sie lässt die Handlung authentisch wirken. Als Leser hat man die ganze Zeit ein lebhaftes Bild vor Augen, wie Juist in der Vergangenheit und in der Gegenwart aussah und welche Ereignisse sich zugetragen haben.
Die Figuren wirkten leider nur zum Teil authentisch. Es war leicht sich in Johanne und Adda in ihrer Vergangenheit hineinzuversetzen, jedoch erschienen die Figuren in der Gegenwart eher distanziert. Ebenso die Tagebucheinträge von Wanda zeigten sich etwas fragwürdig: Welches Tagebuch eines pubertären Mädchens ähnelt einem wissenschaftlichen Aufsatz? Vermutlich nicht sehr viele.

Zusammenfassend hat mir die Geschichte gut gefallen. Besonders die Schilderungen der Vergangenheit konnten lebhaft erzählt werden und wirkten authentisch. Die Frage, was all diese verschiedenen Handlungsstränge mit der jungen Helen und der Suche nach ihren leiblichen Eltern zu tun hat, war jederzeit präsent. Dennoch führten die zu vielen Handlungsstränge und die Beschreibungen der Protagonisten dazu, dass das Buch einige Längen hatte und mich nicht all zu stark gefesselt hat.

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Veröffentlicht am 02.03.2021

Familiendrama

2

Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel ...

Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel das Große Verdienstkreuz überreichen. Da platzt die junge Helen aus Neuseeland herein, sie ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter und hat als Anhaltspunkt ein Strandfoto ihrer Großmutter. Sofort erkennen alle Adda, Kießlings Ehefrau und Mutter von vier Töchtern. Die Aufregung ist groß, die Ähnlichkeit unverkennbar und die Frage bleibt, welche Tochter hat ein Kind zur Adoption freigegeben.

Wanda, die Älteste, ist im Wattenmeer ertrunken, der Prolog – ein Tagebucheintrag von Wanda – legt nahe, dass sie Suizid begangen hat.

Frauke lebt nach einer gescheiterten Ehe wieder allein auf der Insel und auch Theda ist nach einer unglücklichen Liebe wieder zurückkehrt. Die jüngste, Marijke ist die umtriebigste der Töchter. Als Fotografin hat sie große Bekanntheit erlangt und reist durch die Weltgeschichte. Aber allen ist gemeinsam, dass sie Helen mit großer Skepsis, gar Ablehnung begegnen. Vielleicht könnte Addas Mutter Johanne Licht ins Dunkel bringen. Doch seit 3 Jahren leidet sie an Demenz und ihre klaren Momente werden weniger. Adda ist entschlossen, diese Augenblicke zu nutzen. Bis zur ihrer Erkrankung war Johanne das unbestrittene Oberhaupt der Familie und alle hatten sie sich unterzuordnen.

Eine Familiensgechichte über drei Generationen, die fest mit der Insel Juist verknüpft ist, erzählt Anne Prettin aus wechselnden Perspektiven und wechselnden Zeitebenen Wobei die Gegenwart die Rahmenhandlung für Rückblenden bildet, bei denen vor allem Johannes und Addas Schicksal im Vordergrund stehen. Ich muss gestehen, mir sind die Frauen nicht recht nahe gekommen. Die Töchter blieben farblos und ihre Geschichte mochten mich nicht recht fesseln und bei Johanne schlug mein anfängliches Interesse bald in Abneigung um.

Der Roman spart nicht an Dramatik, alles was passieren kann, widerfährt dieser Familie. Unglückliche Lieben, Verrat und Betrug, gebrochene Versprechungen und unerfüllte Liebe, keine Tochter bleibt verschont.

Prettin schreibt unterhaltsam und ich fand das Buch durchaus spannend, aber mir fehlte der Zugang zu den Protagonisten. Das hat mein Lesevergnügen auch geschmälert. Ich meine, weniger Verwicklungen und weniger dramatische Zufälle hätten dem Buch gut getan.

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Veröffentlicht am 02.03.2021

Fesselnde, aber etwas überladene Familiengeschichte

1

MEINE MEINUNG
„Die vier Gezeiten“ von der deutschen Autorin Anne Prettin ist ein spannender und Familienroman, der mit vielen Familiengeheimnissen, traurigen wie dramatischen Entwicklungen sowie zahlreichen ...

MEINE MEINUNG
„Die vier Gezeiten“ von der deutschen Autorin Anne Prettin ist ein spannender und Familienroman, der mit vielen Familiengeheimnissen, traurigen wie dramatischen Entwicklungen sowie zahlreichen Wendungen zu unterhalten weiß.
Hinter dem ungewöhnlichen und etwas rätselhaften Titel „Vier Gezeiten“, dessen Bedeutung sich einem im Laufe der Handlung erschließt, verbirgt sich eine opulente, mitreißend erzählte Familiengeschichte über die angesehene Juister Hoteliersfamilie Kießling, die sich über vier Generationen hinweg erstreckt und geschickt einen Bogen über viele Jahrzehnte mit verschiedenen Zeitepochen spannt.
Im Mittelpunkt der ereignisreichen Geschichte stehen die verschiedenen, außergewöhnlichen Frauen der Familie mit ihren faszinierenden Lebensgeschichten, die teilweise erschreckende parallele Entwicklungen aufweisen, ihren sorgsam gehüteten Geheimnissen und folgenschweren Entscheidungen, die bis in die Gegenwart nachwirken und das Leben der nachfolgenden Generationen mit beeinflusst haben.
Angelegt ist der Roman in zahlreichen, sich abwechselnden Handlungssträngen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden und auf verschiedenen Zeitebenen und Zeitepochen angesiedelt sind, so dass sich die komplexe Familiengeschichte erst allmählich durch die unterschiedlichen Rückblenden zusammenfügt. Gerade zu Beginn des Romans hat man als LeserIn allerding mit der verwirrenden Vielzahl der Charaktere, ihrem Bezug zueinander inklusive der verzwickten Verwandtschaftsverhältnisse zu kämpfen. Später fällt einem die Zuordnung dann naturgemäß sehr viel leichter. Dennoch hätte ich mich sehr über ein kurzes Personenregister gefreut, um einen schneller Überblick über die vielen Figuren zu erhalten.
Nach dem packenden Einstieg in die Geschichte mit dem rätselhaften und verhängnisvollen Tagebucheintrag einer jungen Frau von 1978, setzt die eigentliche Handlung in der Gegenwart von 2008 auf der Nordseeinsel Juist ein. Mit dem überraschenden Auftauchen der jungen Neuseeländerin Helen, die aufgrund ihrer frappierenden Ähnlichkeiten mit den Kießlings auf irgendeine Weise verwandt zu sein scheint, entspinnt sich für uns eine spannende Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Gemeinsam mit ihr lernen wir allmählich die verschiedenen Familienmitglieder und ihre Besonder- und Eigenheiten kennen. Plötzlich scheint das jahrzehntelange beharrliche Schweigen der Familie ins Wanken zu geraten, bislang streng gehütete Geheimnisse warden enthüllt und in vielen Rückblenden erfahren wir schrittweise immer neue Details aus dem bewegten Leben von Johanne aber auch ihrer Tochter Adda, ihre Hoffnungen, Sehnsüchte, Träume, Verluste und Enttäuschungen.
Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet die Autorin in den Rückblicken bedeutsame Lebensstationen ihrer Figuren aus der Vergangenheit nach und nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise. So tauchen wir gemeinsam mit der jungen Johanne ins Juist der 1934ger Jahre ein, lernen die bekannte Roformschule „Die Schule am Meer“ kennen und bekommen die erstarkenden nationalsozialistischen Einflüsse auf der Insel mit oder erleben gemeinsam mit der jungen Adda nach der schwierigen Nachkriegszeit die Aufbruchstimmung der 1950er Jahren.
Die Autorin versteht es hervorragend, das tolle Inselflair von Juist und die unterschiedlichen Schauplätze der Insel von der Wattlandschaft, den Stränden bis hin zur Inselbahn atmosphärisch dicht und anschaulich zu beschreiben, so dass man alles wunderbar vor Augen hat. Auch das sorgsam recherchierte Zeitkolorit zu den jeweiligen Epochen aber auch die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität im Wandel der Zeiten hat sie sehr authentisch und plastisch in die Handlung mit einfließen lassen.
Anne Prettin hat mit ihrer Familiengeschichte beeindruckende, facettenreiche Frauen-Figuren geschaffen, die mit ihren Eigenheiten, Stärken und Verletzlichkeiten einerseits lebensnah und lebendig wirken, mich aber in vielerlei Hinsicht leider nicht erreichen konnten. Viele ihrer Handlungsweisen und zugrunde liegenden persönlichen Entwicklungen waren für mich nicht nachvollziehbar bzw. glaubhaft, so dass ich mit keiner der Hauptfiguren wirklich warm werden konnte.
Während die Spurensuche Helens, ihre geheimnisvolle Herkunft und die Mutmaßungen um ihre leibliche Mutter sich anfangs noch sehr fesselnd gestalteten, so tritt dieser Handlungsstrang leider zunehmend in den Hintergrund. Für meinen Geschmack wirkte die Geschichte irgendwann leider durch die Fülle an Familiengeheimnissen, klischeehaften Verwicklungen und Schicksalsschlägen zu überfrachtet, konstruiert und unglaubwürdig, um mich noch begeistern zu können.
Zum Ende hin verdichtet die Autorin ihre Geschichte nach einigen sehr konstruiert wirkenden Wendungen und überraschenden Enthüllungen immer weiter, führt die vielen losen Handlungsfäden zusammen und lässt ihre schließlich etwas überladene Familiengeschichte zwar überstürzt aber recht versöhnlich ausklingen.
Schade, diese Familiengeschichte hatte wirklich viel Potential, konnte mich aber ab dem Mittelteil immer weniger überzeugen.

FAZIT
Eine komplexe Familiengeschichte mit fesselnden Familiengeheimissen, tollem atmosphärischen Inselflair und lebendigem, stimmigem Zeitkolorit, die leider nicht ganz überzeugend und etwas klischeebehaftet umgesetzt wurde.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Im Rhythmus der Gezeiten

2

Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der ...

Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der Insel. Addas Mann Eduard soll nun das Bundesverdienstkreuz aufgrund seiner Bemühungen für den Schutz des Nationalparks Wattenmeer verliehen bekommen und das setzt den Patriarch mächtig unter Druck. Mitten in die Generalprobe dieses wichtigen Ereignisses platzt eine junge Frau, die Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ist: Helen kommt aus Neuseeland und behauptet, mit den Kießlings verwandt zu sein. Als Beweis legt sie ein Foto vor, dass Adda zeigt und behauptet, dies wäre das einzige, was ihre Adoptiveltern von ihrer leiblichen Familie wüssten. Die Familie ist schockiert, weder Adda noch eine ihrer Töchter kann sich Helens Existenz erklären. Doch Adda möchte Helen helfen und beginnt mit ihr gemeinsam in der Vergangenheit zu forschen. Dass dabei längst vergessene Familiengeheimnisse ans Licht kommen, die alles bisher geglaubte verändern, kann Adda zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Das Cover zu „Die vier Gezeiten“ finde ich wunderschön! In seiner scheinbaren Schlichtheit wirkt es aufgrund der Farben und des rätselhaften Motives der jungen Frau vollbekleidet im Wasser sofort rätselhaft und interessant - ein Buchcover, das direkt neugierig macht! Auch der Titel lädt zum Spekulieren ein, er verweist bereits auf Ebbe und Flut im Wattenmeer und führt den Leser somit direkt ins Setting ein. Warum von vier Gezeiten gesprochen wird erscheint zunächst mysteriös, klärt sich aber im Laufe des Romans auf stimmige Art und Weise auf.

Das Buch startet bereits rätselhaft mit einem Tagebucheintrag, der direkt auf das Motiv des Covers verweist und bereits Trauriges erahnen lässt. Anschließend macht die Handlung macht einen Sprung in die Gegenwart und wir lernen Protagonistin Adda und ihre Familie kennen. Aufgrund des erzählenden Schreibstils der Autorin können die Personen gut voneinander unterschieden werden, auch wenn der Großteil gleichzeitig eingeführt wird. Insgesamt ist das Buch sehr vielfältig geschrieben, sei es durch häufige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Rückblenden und den Tagebucheinträgen. Nach dem originellen Eintrag zu Beginn des Buches war ich überrascht, diese Erzählform ca. zur Hälfte plötzlich wieder zu finden, wobei es sich dann aber nur noch um Erzählungen aus Wandas Vergangenheit handelt, welche teilweise lediglich aus trivialen Alltagsbeschreibungen einer Jugendlichen bestanden. Auch wechselt die Zeitform von Präteritum in Präsenz, wenn es um Addas Vergangenheit geht, was ich leider nicht richtig verstanden und eher als irritierend empfunden habe. Sowieso springt die Handlung ständig zwischen verschiedenen Zeiten und Personen hin und her, was vom Leser eine erhöhte Aufmerksamkeit fordert. Der häufige Wechsel macht es ihm teilweise schwer, das Geschehen einzuordnen und zu verstehen. Anstrengend waren die vielen Wiederholungen und Introspektionen der Figuren sowie viele Allgemeinplätze. Das hat dazu geführt, dass mir das Erzähltempo zu langsam wurde, sich das Buch an manchen Stellen gezogen hat und somit etwas langatmig wurde. Lediglich im letzten Viertel überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und gefühlt werden alle Geheimnisse auf einmal aufgeklärt, was dann auf den wenigen Seiten wieder überfrachtet gewirkt hat. Eine ausgewogenere Verteilung der Geschehnisse wäre hier angenehmer gewesen.

Schön hingegen war der plattdeutsche Dialekt, der in manche Dialoge eingebunden wurde und sehr passend zum norddeutschen Flair passte. Sowieso haben mir das Lokalkolorit und die anschaulichen Beschreibungen der Insel Juist sowie der Wattenmeerregion wahnsinnig gut gefallen. Anne Prettin hat sowohl geschichtliche Informationen der Insel und des Naturparks geschickt eingebaut, als auch das nordische Flair rund um Land und Leute so gut eingefangen, dass der Leser regelrecht den Schlick zwischen den Füßen und den Wind im Haar spüren konnte. Insgesamt ist die Insel Juist ein tolles Setting und versetzt mich direkt in Urlaubsstimmung.

Inhaltlich war die Geschichte rund um die Frauen der Familie Kießling zunächst interessant und die vielen Familiengeheimnisse haben mich zum Rätseln eingeladen. Die Beziehungen der Personen zueinander sind verworren, egal ob in der Vergangenheit oder Gegenwart. Nach und nach kommen immer mehr dunkle Geheimnisse ans Licht, die häufig auch einfach hausgemacht sind und durch weniger Lügen und mehr Kommunikation vermeidbar gewesen wären. Menschlich ist vieles nicht nachvollziehbar. Schnell wird die Geschichte aufgrund der Vielzahl an Schicksalen überladen – schade, weniger Handlungsstränge wären hier angenehmer gewesen. Ich fühlte mich vor Familiengeheimnissen regelrecht überschüttet und fand es schade, dass Helen als Auslöser irgendwann fast in Vergessenheit geriet. Auch sind einige Entwicklungen etwas zu vorhersehbar und entsprechen sehr den gängigen Klischees. Es gibt viel Drama um die immer gleichen Themen, jede Generation wird mit derselben (unwahrscheinlichen) Situation konfrontiert. Gerade das Thema der ungewollten Schwangerschaft kommt mir sehr konstruiert vor. Insgesamt kommt es mir so vor, als ob das Buch einfach viel zu viel will: Familiengeheimnisse und tragische Figuren in jeder Generation, Lügen und Verheimlichungen, unglückliche Liebe und dann noch zahlreiche übergeordnete Themen wie Umweltschutz, Lokalpolitik, Judenverfolgung und Alltag zur NS-Zeit… das war mir alles etwas zu viel.

Auch konnten mich die Protagonisten des Buches nicht wirklich überzeugen. Ich konnte ihre Denk-und Handlungsweisen nicht nachvollziehen und wirklich sympathisch war mir auch niemand. Adda ist an sich der Ruhepol, der die Familie zusammenhalten möchte. Dabei bleibt sie aber sehr passiv was ihre persönlichen Wünsche angeht und handelt häufig sehr widersprüchlich. Sie teilt ihr Schicksal mit ihrer Mutter Johanne, die in ihren Rückerinnerungen eine nette junge Frau ist, aber unbegründet in ihrer weiteren Entwicklung zu einer harten, kalten, egoistischen Person wird. Vermutlich meint sie es nur gut, aber ihre Motive sind nicht nachvollziehbar. Ihrem Sohn und der Enkelin gegenüber ist sie sehr liebevoll, Adda behandelt sie streng und unnahbar. Das lässt die Figur für mich sehr unstimmig und wenig authentisch wirken. Auch die drei Töchter sind sehr klischeehaft gezeichnet und bleiben insgesamt sehr blass am Rande der Geschichte. Patriarch Eduard ist ebenfalls wie Familie Heinsen ein lebendes Klischee. Lediglich für die eher kurz erwähnten Nebenfiguren wie Okke, Onno und Helen konnte ich Sympathie entwickeln.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen und es trotz oben genannter Kritikpunkte als unterhaltsam empfunden. Allerdings gab es schon sehr viele Zufälle und widersprüchliche Charaktere, die es unglaubwürdig gemacht haben.

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