Leserunde zu "Endling" von Jasmin Schreiber

Witzig, anrührend und originell
Cover-Bild Endling
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Jasmin Schreiber (Autor)

Endling

Roman

Artensterben. Abtreibungs- und Verhütungsverbote. Repressalien. Die Welt, in der sich die Frauen dieses Romans zurechtfinden müssen, ist eine andere im Jahr 2041. Zoe ist Biologin und forscht fern der Heimat an Käfern. Als ihre Mutter in Reha muss, kehrt sie nach Hause zurück, um sich um ihre Teenager-Schwester Hanna und ihre schrullige Tante Auguste zu kümmern, die seit Jahren das Haus nicht mehr verlässt. Doch dann verschwindet Augustes Freundin Sophie, und während sich die Ereignisse überschlagen, lauert in Schweden ein dunkler Wald auf sie.


Timing der Leserunde

  1. Bewerben 20.11.2023 - 10.12.2023
  2. Lesen 18.12.2023 - 31.12.2023
  3. Rezensieren 01.01.2024 - 21.01.2024

Bereits beendet

Schlagworte

Schweden Italien Road Trip Schnecken Biologie Reise Agoraphobie Depression Wald Familie Tante Forschung Naturwissenschaft Auguste Humor Witz Literarische Unterhaltung

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 03.01.2024

Gesellschaftskritische Science-Fiction

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"So fremd und gleichzeitig so vertraut kann man sich vermutlich nur in einer Familie fühlen"(S. 50)

Ich habe noch nie ein Buch gelesen, das gesellschaftliche Probleme aufzeigt und nebenbei Science-Fiction, ...

"So fremd und gleichzeitig so vertraut kann man sich vermutlich nur in einer Familie fühlen"(S. 50)

Ich habe noch nie ein Buch gelesen, das gesellschaftliche Probleme aufzeigt und nebenbei Science-Fiction, naturwissenschaftliches Wissen und Familie in dieser Art und Weise vereint. Ich habe vorher allerdings auch noch kein anderes Buch von Jasmin Schreiber gelesen (das muss ich dringend nachholen). Die Handlung von "Endling" spielt im Jahr 2041. Es geht um Zoe, eine Entomologin, die nach langer Zeit wieder in ihr Kindheitszuhause zurückkehrt. Dort soll sie über die Sommerferien auf ihre 16-jährige Schwester und ihre Tante aufpassen, während ihre alkoholsüchtige Mutter in einer Entzugsklinik ist. Schon nach kurzer Zeit merkt Zoe, dass zu Hause alles außer Fugen geraten ist, während sie nicht da war. Ihre Schwester schießt sich scheinbar oft mit Alkohol und Drogen ab, und ihre Tante kommt seit Ewigkeiten nicht mehr aus ihrer Wohnung, weil sie Angst hat, sich mit einer Krankheit anzustecken und daran, wie Zoes und Hannahs Vater zu sterben. Auch in der restlichen Welt sieht es nicht besser aus: Abtreibungen werden verboten, die Vergewaltigung der eigenen Ehefrau ist wieder legal, Frauen werden immer mehr vom Arbeitsplatz gedrängt, und Arten sterben durch den Klimawandel aus. Ihre Tante Augustine macht sich nun auch noch Sorgen um ihre beste Freundin, die plötzlich komplett von der Bildfläche verschwunden ist. Da sie sich seit Wochen nicht mehr gemeldet hat, machen sich die drei Frauen trotz der Keimphobie von Augustine auf den Weg nach Italien, um Sophie zu suchen. Dadurch begeben sie sich auf ein großes Abenteuer, auf dem alle ein bisschen mehr als Familie zusammenwachsen und über ihre Grenzen gehen.

Ich mochte das Buch wirklich sehr, genauso wie das Cover. Der Schreibstil der Autorin ist genauso einzigartig wie ihre Geschichte, und besonders die Unterhaltungen im Buch haben mir gut gefallen. Die Autorin schafft es, durch die unterschiedlichen Arten, wie die Charaktere reden, nicht nur ihnen mehr Tiefe zu verleihen, sondern die Unterhaltungen auch irgendwie echter klingen zu lassen. Wobei ich mir vorstellen kann, dass nicht jeder ein Fan von dieser Art des Schreibens ist. Ich fand die Geschichte unglaublich interessant, was für die Wissenshäppchen nur noch verstärkt wurde. Es geht erst nach den ersten ca. 100 Seiten los, sodass man genug Zeit hat, die Charaktere kennenzulernen. Von da an wird es auch echt spannend, und ich konnte das Buch fast gar nicht mehr weglegen. Es war schön zu sehen, wie sich die Charaktere entwickelt haben. Die Umsetzung der zukünftigen Welt fand ich auch irgendwie faszinieren. Die Autorin es auch immer wieder geschafft, die Atmosphäre irgendwie gemütlich und glücklich zu machen, obwohl über so viele schwere Themen geschrieben wurde.

Fazit: Ich würde das Buch jedem empfehlen, der ein eindrucksvolles Science-Fiction-Buch sucht, in dem man über Insekten und andere Tiere lernt, das in relativ naher Zukunft spielt und Themen behandelt, die auch schon heute von Bedeutung sind. Ich finde dieses Buch wirklich gelungen und wünsche jedem, der sich dazu entscheiden sollte, dieses Buch zu lesen, viel Spaß dabei.

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Veröffentlicht am 01.01.2024

Fast hätte es zum Highlight gereicht - aber ich fand es trotzdem noch mega

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2041: Zoe ist Biologin mit Leib und Seele. Ihr Fachgebiet sind Käfer und andere Krabbelviecher. Durch das aktuelle Artensterben und den Klimawandel ist ihre Arbeit wichtiger denn je. Doch als ihre Mutter ...

2041: Zoe ist Biologin mit Leib und Seele. Ihr Fachgebiet sind Käfer und andere Krabbelviecher. Durch das aktuelle Artensterben und den Klimawandel ist ihre Arbeit wichtiger denn je. Doch als ihre Mutter auf „Kur“ (Entzug) geht, muss sie nach Hause fahren und sich um ihre Tante Auguste und ihre jüngere Schwester Hanna kümmern. Seit der letzten Pandemie bei der Zoes Vater, Augustes Bruder, starb (und noch ein paar andere enge Freunde) verlässt Auguste ihre Wohnung im Obergeschoss des Familienhauses nicht mehr. Überhaupt erwartet Zoe Zuhause in Frankfurt ein emotionales Trümmerfeld.
Doch als die beste Freundin ihrer Tante spurlos verschwindet, müssen die drei unterschiedlichen Frauen zusammenhalten.


Die Zukunftsvision in diesem Buch finde ich gleichermaßen erschreckend und alles andere als unrealistisch. Wir sehen schon heute erste Anzeichen davon und es wirkt wirklich so, als steuerten wir direkt auf diese Art von Zukunft zu. Nicht nur bezogen auf den Klimawandel, sondern auch auf die herrschenden Rechten (Erstarken der AfD, immer öfter offene Fremdenfeindlichkeit) und der Einschränkung von Frauenrechten (Abtreibungsverbote in den USA und Polen, nach wie vor massenhaft Femizide, die als Familiendramen verharmlost werden).
Manches baut sich dabei toll im Buch auf - zum Beispiel die Frauenfeindlichkeit, die erst nur leicht anklingt, in Kommentaren von Zoe aber mit der Zeit immer deutlicher wird, auch in ihren Folgen.
Anderes bekommt man direkt präsentiert, wie den Klimawandel und das Artensterben. Ich liebe es, wie dabei Dinge aus unserer jetzigen Gegenwart eingeflochten werden, wie Erinnerungen an Corona.

Ja, es ist eine düstere Zukunftsvision, die uns hier präsentiert wird, aber vielleicht müssen wir das alle mal schwarz auf weiß gelesen haben, um zu verstehen, was nötig wäre, um das abzuwenden - politisch ganz klar, aber auch, was das eigene Leben anbelangt. Ein Beispiel: wer macht heute noch einen Corona-Test, wenn er sich krank fühlt? Oder wer trägt noch Maske? Wer ist bereit, etwas von seinem Wohlstand und Überkonsum zu opfern oder wenigstens einzuschränken?

Ich finde es super wie diese großen Themen mit den „kleinen“ Themen aus Zoes Umfeld verbunden werden. Wie die dystopischen Elemente einfach eingeflochten werden, als wäre das normal - was es für Zoe ja auch ist.
Zoe ist auch keine Rebellenführerin oder so, aber sie ist auch nicht regimetreu. Z.B. gibt sie in einem Darknet Forum Frauen Ratschläge zur Verhütung und Abtreibung - beides verboten. Die meisten Verbote berühren Zoe nicht direkt in ihrem Alltag, aber sie sind präsent und werden zunehmend präsenter.

Hanna ging mir stellenweise arg auf die Nerven. Ich empfand sie als sehr egoistisch. Ja, sie hat gelitten und ja, es war bestimmt nicht leicht mit ihrer Mutter und Tante, aber sie war auch kein kleines Kind mehr und wie sie ständig ihrer Schwester vorwirft, nicht für sie dagewesen zu sein, nervt. Was hätte sie denn machen sollen? Alles hinwerfen, um ihr die Hand zu halten?


Fazit: Mir gefiel das Buch wirklich mega gut. Ich mochte es sehr, wie die dystopischen Elemente eingewoben wurden und beiläufig Erwähnung fanden. Manchmal wirkt Zoes Leben ganz normal und es könnte fast in unserer Gegenwart stattfinden, dann wieder kommen Elemente, die einem den stattgefundenen Klimawandel präsentieren oder die gesellschaftlichen Veränderungen, die leider nur zu möglich erscheinen.

Ich mochte Zoe sehr gern. Sie ist Biologin mit Leib und Seele und das merkt man. Sie ist nicht gerade sozial unbeholfen, aber gut ist sie im Umgang mit anderen nun auch wieder nicht. Ihre Tante Auguste sorgte gleichermaßen für Lacher und zeigte einem eindrucksvoll, wie drastische Veränderungen Menschen beeinflussen und traumatisieren können. Zoes Schwester Hanna ging mir tendenziell eher auf die Nerven. Ich fand sie sehr egoistisch und immer wieder auch nervig. Aber sie ist ein Teenager und wird daher gut und „echt“ dargestellt.

Gegen Ende ging mir manches etwas schnell. Mir fehlten richtige Erklärungen. Ich hätte mir gewünscht, dass man da richtige Antworten bekommt oder einen Epilog. Das hat das Buch vom Highlight-Thron geschubst. Aber ich habe es trotzdem echt geliebt zu lesen. Von mir bekommt das Buch volle 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.12.2023

Wow! Was für ein Buch.

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Beängstigend, bedrohlich, mysteriös, spannend und gleichzeitig mit Humor und menschlicher Wärme. So zeigt sich der dritte Roman von Jasmin Schreiber, der mich sehr beindruckt hat. Die Autorin zeigt eine ...

Beängstigend, bedrohlich, mysteriös, spannend und gleichzeitig mit Humor und menschlicher Wärme. So zeigt sich der dritte Roman von Jasmin Schreiber, der mich sehr beindruckt hat. Die Autorin zeigt eine Zukunftsszenario, das beängstigend realistisch erscheint. Das ist am Anfang nicht ganz leicht zu ertragen. Aber es gibt auch viel Zusammenhalt, Widerstand und eine berührende Familiengeschichte. Das ließ mich nur so durch die Seiten fliegen. Und dann kam noch eine Wanderung durch einem mehr als mysteriösen Wald dazu....

Aber von Anfang an: Zoe ist Mitte dreißig und forscht als Biologin an bestimmten Insekten. Denn diese sind aufgrund des fortschreitenden Klimawandels häufig ausgestorben bzw. fast ausgestorben. Es gibt viele "Endlinge", die letzten ihrer Art. Daher der Titel. Außerdem ist es ind den Sommern wahnsinnig heißt, der Permafrostboden taut immer weiter auf und die Alpengipfel brechen ab. Denn wir schreiben das Jahr 2041. Nicht wirklich weit weg. Daher umso beängstigender. Außerdem hat eine rechts-konservative Regierung übernommen, seit acht Jahren gab es keine richtigen Wahlen mehr wegen Notstandsgesetzen, die EU hat sich komplett von ihren Idealen verabschiedet (die skandinavischen Länder sind inzwischen ausgetreten und letzte Zufluchtshorte) und die Rechte der Frauen wurden immer mehr beschnitten. Abtreibung und Verhütung sind verboten und wenn jemand seinen Job verliert, dann Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Menschen arrangieren sich, wie auch Zoe und ihre Familie, die allerdings bedingt durch die vielen Pandemien den Vater verloren hat. Als sich die familiären Probleme zuspitzen, geht Zoe kurzzeitig zu ihrer Familie zurück und aufgrund weiterer tragischer Ereignisse mit Schwester und Tante auf wilde Roadtrips nach Südtirol und Schweden. Hier ereignen sich seltsame Dinge und es gibt Dörfer, in denen nur Frauen leben.... Der Weg dahin führte durch tiefe Wälder und besonders im zweiten Teil des Buches wird es hier so Fantasy-Mystik-mäßig. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war aber spannend.

Das alles wird rasant und mit wissenschaftlichen Einschüben (die Autorin ist selbst Biologin) erzählt. Und nebenher erfuhr ich als begeisterte Leserin von "Marianengraben" (dem Debüt von Jasmin Schreiber) auch etwas über das weitere Leben von Paula, der damaligen Protagonistin.

Insgesamt ein Roman, der nachdenklich stimmt und trotzdem irgendwie spannend und unterhaltsam ist. Eine wilde Mischung aus Mystik, Fantasy, politisch negativem Szenario und kleinen Hoffnungsschimmern. Letztere resultieren vor allem aus Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft und den vielen kleinen Widerständen, die jeder Einzelne gegen eine restriktive Politik leisten kann.

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Veröffentlicht am 15.01.2024

Bittersüßer Roadtrip mit Hund und Schnecke in eine ungewisse Zukunft…

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In dieser nicht in allzu ferner Zukunft angesiedelten Tragikomödie macht sich Biologin Zoe zusammen mit ihrer kleinen Schwester Hannah und ihrer an Angststörungen leidenden Tante Auguste auf, die verschollene ...

In dieser nicht in allzu ferner Zukunft angesiedelten Tragikomödie macht sich Biologin Zoe zusammen mit ihrer kleinen Schwester Hannah und ihrer an Angststörungen leidenden Tante Auguste auf, die verschollene Freundin der Tante aufzuspüren und macht dabei eine buchstäblich fantastische Entdeckung.

Dieser eine Satz, der die Handlung möglichst spoilerfrei zusammenfassen soll, gibt nicht annährend die Schwere der Themen wieder, mit denen Jasmin Schreiber ihre Lesenden konfrontiert: Noch nicht einmal 20 Jahre in der Zukunft sind Arten wie das Rotkehlchen ausgerottet und täglich folgen weitere (so hütet Auguste das letzte Exemplar der Spezies Weinbergschnecke Helix pomatia, der titelgebende Endling), Deutschland hat sich in einen faschistoiden Staat zurückentwickelt, der die Frauenrechte um mehr als 50 Jahre (von heute gesehen) zurückgedreht hat, Menschen mit Migrationshintergrund diskriminiert (leider kein Zukunftsthema) und eine Pandemie die nächste jagt. Zusätzlich zu diesen globalen Problemen hat jede der Protagonistinnen ihr eigenes Trauma zu verarbeiten, das durch den Verlust des Vaters bzw. des Bruders in einer der unzähligen Pandemien ausgelöst wurde: Auguste schließt die Welt aus und zieht sich wie ihr Schützling in ein Schneckenhaus zurück, das sie akribisch keimfrei hält, Zoe stürzt sich in ihre Arbeit als Dokumentarin des Artenschwundes und Hannah navigiert als alleingelassenes Nesthäkchen gefährlich am Rande des Alkoholismus, hat sie sich diesen doch als (fragwürdigen) Bewältigungsmechanismus bei ihrer Mutter abgeguckt.

Wie schon bei ihren Vorgängerromanen „Marianengraben“ und „Der Mauersegler“ oder dem sehr persönlichen Sachbuch „Abschied von Hermine“ gelingt es Jasmin Schreiber diese sehr traurigen Themen mit einer überraschenden Leichtigkeit zu erzählen. Sie findet in aller Trauer immer Situationen, die mit etwas Abstand (für uns als Lesende sofort, für die Protagonisten hoffentlich mit der Zeit) auch eine gewisse Komik beinhalten und arbeitet sie heraus. Wenn Angstpatientin und Keimphobikerin Auguste sich zum Beispiel endlich ins Auto wagt und dann auf der Reise mit dem Konzept „Raststättenklo“ konfrontiert wird.

Für eine reine „Roadtrip“- Erzählung werden dem Reiseantritt und den einzelnen Etappen sehr viel Platz eingeräumt, unterwegs wird ein Mysterium aufgebaut, das nach einer zufriedenstellenden Auflösung am Ende der Reise verlangt…und hier liegt für mich persönlich leider der Schwachpunkt der Geschichte: Die ganze Auflösung um Sophies Verschwinden ließ zumindest mich ratlos zurück, dafür dass die Geschichte viel Zeit in den Aufbau und die Reise gesteckt hat, fühlte sich für mich persönlich der Schluss leider etwas überhastet an. Ich bleibe aber neugierig, ob „Endling“ nicht vielleicht der Auftakt zu einer weiteren Geschichte sein könnte, zumal weitere Teilnehmende der Leserunde der Bastei Lesejury, an der ich teilnehmen durfte, bemerkt hatten, dass Figuren aus „Marianengraben“ und „Der Mauersegler“ auftauchen, alle drei Romane im „gleichen Universum“ spielen (ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mir das beim ersten Lesen nicht aufgefallen war, vielen lieben Dank an meine Mitlesenden!). Kurze Anmerkung: Die Romane bauen nicht aufeinander auf und können vollkommen unabhängig voneinander gelesen werden, es ist nur ein kleiner Benefit für jene, die alle drei gelesen haben.

Fazit: „Endling“ ist eine literarische Aufarbeitung der akuten Probleme unserer Zeit, entsprechend sollte man keinen Feel good- Roman erwarten, auch wenn sich oft tragikomische Szenen ergeben, die dem Ganzen zwischendurch die Schwere nehmen. Wie man das Ende empfindet, ist sicher sehr Geschmacksache und von Erwartungen abhängig, aber da wie bei allem Roadtrip-Geschichten der Weg als eigentliches Ziel zählt, ist „Endling“ eine weitere bittersüße Perle in Jasmin Schreibers unbedingt lesenswerter Bibliographie.

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Veröffentlicht am 19.01.2024

Ein Fall für Scully (nicht für Mulder)

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Damals, in den 90ern, gab es einen netten kleinen Indie-Hit der walisischen Band Catatonia mit der Zeile „This could be a case for Mulder and Scully“. Ein Lied, das ich beim Lesen von „Endling“ mehrfach ...

Damals, in den 90ern, gab es einen netten kleinen Indie-Hit der walisischen Band Catatonia mit der Zeile „This could be a case for Mulder and Scully“. Ein Lied, das ich beim Lesen von „Endling“ mehrfach im Ohr hatte, denn irgendwann driftet Jasmin Schreibers neuer Roman unterschwellig in eine Akte X-Folge ab – und vermutlich stört mich das mehr als es sollte. Auf hohem Niveau. Und ohne Mulder. Aus Gründen.

„Endling“ spielt in einer nahen Zukunft, 2041, und dennoch hat die Welt sich verändert. Die Klimakatastrophe hat sich verschlimmert. Und mit den Arten sind auch Demokratie und Frauenrechte gestorben, faschistische Regierungen sind nicht nur in Deutschland an der Macht, ganz Europa scheint den Bach runtergegangen zu sein. Im Gegensatz zu vielen Zukunftsroman und Dystopien liest sich das Szenario in „Endling“ bedauerlicherweise viel zu realistisch und nachvollziehbar, um wirklich leicht verdaulich zu sein.

Und auch persönliche Probleme spielen eine Rolle. So zieht es Zoe, Wissenschaftlerin in München, nach Jahren zurück in ihre Frankfurter Heimat. Sie soll auf ihre Schwester aufpassen, während ihre Mutter einen Alkoholentzug macht – und merkt schnell, dass auch Hannah ihr Leben, ihren Alltag mit Wein und Schnaps betäubt. Nachvollziehbar ist es: Der Vater ist in einer vergangenen Pandemie verstorben, die Mutter häufig berauscht, die Schwester weggezogen und die Tante, die über ihnen im Haus wohnt, hat ihre Wohnung seit Jahren nicht verlassen. Doch ein Aufbruch naht – als eine Freundin der Tante in Südtirol verschollen ist, wagt sich Auguste zusammen mit ihrer Schnecke in die Außenwelt.

Eigentlich ein spannendes Szenario. Eine sterbende Welt, eine Gesellschaft am Abgrund, interessante Figuren und ein Roadtrip quer durch Europa – nach Italien geht es wenig später nach Schweden. Und dank Jasmin Schreibers persönlichen Background als Biologin erfährt man einiges über lebende und bedrohte Arten, ihre Verhaltensweisen und wie der Klimawandel Flora und Fauna bedroht. Genau wie das politische Klima Frauen bedroht und Dörfer entstehen, in denen es keine Männer gibt. Genau zu so einem reisen Zoe, Hannah und Auguste samt Schnecke. Und genau da kippt das Buch in eine Art, die es, für mich persönlich, nicht gebraucht hätte.

Ohne zu viel vorwegzugreifen, hätte mir hier ein realistischer Ansatz, eine wissenschaftlich belegbarere Welt besser gefallen. Die Idee und ihre Visualisierung ist faszinierend, total gut hergeleitet und gleichzeitig offen genug gehalten, um nicht als komplette Science Fiction durchzugehen. Trotzdem sperrte sich da in mir etwas gegen diese Akte X-Aufmachung – und das, obwohl ich zumindest die ersten drei Staffeln ein Riesenfan der Serie war. Vielleicht, weil in Schreibers Zukunft alles so schlüssig, so bedrohlich erschien und das durch diese Sci-Fi-Elemente zu stark gebrochen wird.

Trotzdem: „Endling“ ist ein spannendes, gut geschriebenes Buch, das gleichzeitig eine düster-realistische Zukunft zeigt, aber auch Hoffnung macht. Und Hannahs Idee, den patriarchalischen Faschismus zu beenden, ist gleichzeitig großartig wie amüsant. Nicht ganz so gut wie die Vorgänger „Marianengraben“ und „Der Mauersegler“, aber dennoch ein toller Roman für alle, die den Klimawandel und das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien mit Angst und Sorge betrachten – und auch für die, die das noch nicht tun.

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