Veröffentlicht am 16.10.2024
Das leicht altmodische Cover hat sofort meine Aufmerksamkeit geweckt. Es zeigt eine weißhaarige ältere Dame, mit adretter Dauerwelle, gehüllt in Seidenschal und Cardigan, die ein großes Messer in ihrer ...
Das leicht altmodische Cover hat sofort meine Aufmerksamkeit geweckt. Es zeigt eine weißhaarige ältere Dame, mit adretter Dauerwelle, gehüllt in Seidenschal und Cardigan, die ein großes Messer in ihrer Strickjacke verbirgt– ein großes Messer?
May Morrigan hat sich von ihrem Erbe eine Buchhandlung vor den Toren Londons gekauft. Im beschaulichen Blackheath Village genießt die Witwe ihren Ruhestand. Sie lebt mit ihrem Studienfreund Fletcher, einem emeritierten Professor, in Greenway, dem Stammsitz ihrer Familie. Die beiden Zwergdackel Bess und George vervollständigen das Idyll. Nicht so ganz ins Bild passen dagegen einige Fakten, die der Lesende erhält. Woher weiß May, dass ihre geliebte Kelly-Handtasche genügend Platz für einen „sorgfältig eingewickelten Menschenkopf“ bietet? Wozu benötigt sie die schmale Klinge, die sie in einer Geheimtasche ihres Cardigan-Ärmels verbirgt? Und was befindet sich in dem kleinen Behälter in ihrer Jackentasche, das sie so beruhigt?
Diese Fragen und düstere Andeutungen im Klappentext lassen mich um Mays Nachbarn Geoffrey Crichton, den jungen Abgeordneten mit Höllenhund, bangen. Warum hat May die Steuerung seiner technischen Anlagen per App gekapert? Was hat es damit auf sich, dass sie seinen Durchlauferhitzer lahmlegt? Verhilft sie ihm nur zu einer eiskalten Dusche? Harriet Nibley, ein widerwärtiges Mitglied der Kirchengemeinde, scheint mir ebenfalls eine Kandidatin für Mays Abschussliste zu sein.
In einem zweiten Erzählstrang geht es um Daniel Fox, einen jungen Lokalreporter, der gerade einen Artikel über Detective Inspector Theo Clegg, den örtlichen Kriminalbeamten schreibt. Er erhält die Nachricht, dass erneut ein sechzehnjähriges Mädchen vermisst wird. Diese Story will er unbedingt haben. Auch May erfährt, dass eine junge Frau aus dem Dorf verschwunden ist. Sie wittert einen würdigen Gegner und beschließt den Täter noch vor der Polizei zu entlarven.
Katherine Black versteht es meisterlich, ihre Leser zu ködern. Ihre Geschichte beginnt ganz harmlos, nimmt aber schnell an Fahrt auf. Die subtilen Hinweise bezüglich Mays „Hobby“ lassen den Leser nach potenziellen Opfern Ausschau halten. Blacks klare Sprache und ihre Liebe zum Detail versprechen hohen Lesegenuss. Das sorgfältig gezeichnete Ambiente und die kernigen, teils unkonventionellen Charaktere laden zu einem spannenden Lesegenuss im Stil Agatha Christies ein.
Meine Neugier ist jedenfalls geweckt. Ich hoffe zu erfahren, wie mörderisch May tatsächlich ist und wie es ihr gelingt, so meisterlich ihre Morde zu verbergen. Wird sie den Serienkiller zur Strecke bringen? Ich glaube, dass May die Fähigkeiten dazu mitbringt und sich als ernstzunehmende Gegenspielerin des Mädchenmörders erweisen wird.