Eine Geschichte, die die Welt in Indigoblau und Gold tränkt und ermutigt, über seine Schatten zu springen
“Blue Seoul Nights” erzählt eine Liebesgeschichte, die viel mehr als nur eine Liebesgeschichte ist. Irgendwie hat das Buch es geschafft, das große Ganze mit all seinen Facetten in den Mittelpunkt zu stellen, ...
“Blue Seoul Nights” erzählt eine Liebesgeschichte, die viel mehr als nur eine Liebesgeschichte ist. Irgendwie hat das Buch es geschafft, das große Ganze mit all seinen Facetten in den Mittelpunkt zu stellen, statt nur der zwei Protagonisten und ihrer Beziehung. Wenn ich auf das Cover blicke, sehe ich nicht (nur) Jade und Hyun-Joon, ich sehe Seoul in all seinen Farben.
Obwohl Jade und Hyun-Joon mir beide als Charaktere sympathisch waren und ich die Geschichte aus Jades Perspektive sehr gerne gelesen habe, ist es rückblickend das gesamte Buch über hinweg leider nur bei dieser Sympathie geblieben. Beide sind tolle Charaktere, zu denen mir bisher aber leider der tiefere Zugang gefehlt hat. Ich mag sie beide, aber das war’s auch.
Die Beziehung zwischen Jade und Hyun-Joon hingegen hat sich sehr schön entwickelt und es hat mich gefreut, dass sie von Beginn an offen gegenüber ihren Gefühlen waren. Sie haben sich trotz anfänglicher Unsicherheiten nicht unnötig hingehalten und ihre Gefühle verdrängt, sondern von Anfang an klar ihre Interessen bekundet, was eine schnelle Entwicklung der Beziehung ermöglichen konnte. (Und oh man, es gab ein paar wirklich cute Szenen zwischen den beiden!)
Was mir besonders positiv am Schreibstil und dem Aufbau der Geschichte aufgefallen ist, dass vieles, was zu Beginn des Buches nur angedeutet oder kurz erwähnt wird, später wieder aufgegriffen wird und mehr an Bedeutung gewinnt - die Geschichte hat keine losen Fäden und schließt all ihre Kreise, sofern es im ersten Teil möglich ist.
Der plötzliche Umschwung zum Ende der Geschichte hat mich allerdings ein wenig überrascht (oder schon fast verwirrt). Auch wenn einiges bereits angedeutet wurde und im zweiten Teil mit Sicherheit weiter ausgeführt wird, macht Hyun-Joons Charakter auf einmal eine 180°-Wendung und der “Plot Twist” sorgt für einen sehr starken Bruch in der Geschichte, der dazu auch noch wirklich erst auf den letzten paar Seiten aufkommt. Gleichzeitig war es aber auch schön zu sehen, dass die Problematik in der Liebesgeschichte mal nicht nur aus dem typischen “Plötzliche Zweifel und Ich-zieh-mich-jetzt-zurück”-Trope besteht, sondern andere Faktoren Teil zu haben scheinen. Ich bin wirklich gespannt, wie der Cliffhanger im nächsten Buch aufgegriffen und die Geschichte ausgehen wird.
Nun zum mir wichtigsten Punkt: Die größte Stärke des Buches ist allem voran auf jeden Fall das Setting.
Ich hatte große Erwartungen an dieses und (zugegebenermaßen) auch ein wenig Zweifel, jedoch hat das Buch alles richtig gemacht, was es nur richtig machen konnte. Es hat so viele verschiedene Seiten von Südkorea einfangen und realistisch umsetzen können, sodass ich durchgehend ganz große Sehnsucht nach Korea hatte und es nun noch viel mehr vermisse als ohnehin schon. Das Land und die Gesellschaft wurden nicht nur auf “Kpop und K-Drama”, das Essen und Nachtleben beschränkt und romantisiert, sondern (im Rahmen der Möglichkeiten) von verschiedenen Perspektiven beleuchtet, was sowohl die guten als auch die schlechten Aspekte, wie beispielsweise Hyun-Siks Storyline, miteinschließt. Hyun-Joons Gedanken über die Gesellschaft habe ich nur zu gut nachempfinden können und es wurde sehr deutlich, dass hier mit Sensitivity-Reader(n) gearbeitet wurde und ich bin wirklich dankbar darüber.
Ich hoffe sehr, dass im zweiten Teil (egal wie die Geschichte weitergeht) mit Jade weiterhin neue Seiten der Kultur entdeckt und erzählt werden können. Mir fällt es schwer überhaupt in Worte zu fassen, was die großartige Umsetzung beim Lesen in mir ausgelöst hat - auch die kleinen Details zwischendurch, wie dass Hyun-Joon und Hyun-Sik dieselbe erste Silbe im Vornamen haben (wie es für Geschwister in Korea typisch ist) und die Erklärung von “Jeong” haben mich immer wieder innerlich kurz freudig aufspringen lassen.
Was mir allerdings fast schon ein wenig zu einfach vorkam, ist die Tatsache, dass Jade nahezu gar keine Verständigungsprobleme hatte. Es ergibt zwar Sinn, dass die Personen in ihrem Umfeld alle Englisch sprechen und es gab einige Szenen, in denen sie Konversationen nicht folgen konnte, aber die Sprache schien nie ein großes Hindernis gewesen zu sein und ich hätte es schön gefunden, wenn dieser Aspekt noch ein wenig besser und realistischer beleuchtet worden wäre.
“Blue Seoul Nights” malt eine Geschichte in Indigoblau und Gold, die zeigt, dass es sich manchmal lohnt, über seinen Schatten zu springen und Neuem entgegen zu laufen. Als bloße Liebesgeschichte hat mich das Buch nicht komplett abholen können, aber es hat eindeutig durch das wunderschöne Setting punkten und mich auf ganz anderen Ebenen berühren können. Das Buch erhält 4,25 Sterne von mir (und die Autorin ein ganz ganz großes Lob!)
Vielen lieben Dank an LYX und die Lesejury für das Rezensionsexemplar!