Erfolgreicher Auftakt einer neuen Urban-Fantasy-Reihe
Tycho lebt in New York, studiert Geschichte und jobbt abends in einer Bar. Doch Tycho ist keine gewöhnliche junge Frau: Trinkt sie Alkohol erwachen ungeahnte Kräfte in der zierlichen Person und sie sorgt ...
Tycho lebt in New York, studiert Geschichte und jobbt abends in einer Bar. Doch Tycho ist keine gewöhnliche junge Frau: Trinkt sie Alkohol erwachen ungeahnte Kräfte in der zierlichen Person und sie sorgt eigenmächtig für Gerechtigkeit auf den Straßen, indem sie – in ihren Augen – Schuldige eines Verbrechens verprügelt. Doch Tychos Geheimnis bleibt nicht lange unentdeckt: Die attraktive Grayson sucht Kontakt zu ihr und stellt unangenehme Fragen und auch Logan, ihr bester Freund seit Kindheitstagen wirkt neugierig. Ohne es zu ahnen schwebt Tycho in großer Gefahr, vor der sie selbst ihre übermenschlichen Kräfte nicht schützen: Sie gerät ins Visier einer Sekte, die Tychos Macht für sich nutzen möchten – und auch vor einer Entführung nicht zurück schrecken.
„Hard Liquor – Der Geschmack der Nacht“ ist der Auftaktband zu Marie Graßhoffs neuer Urban-Fantasy-Serie. Das Cover gefällt mir optisch gut, lässt allerdings auf ein hochwertiges Hardcover schließen, dass es aber leider nicht ist. Schade, ein gebundenes Exemplar mit Prägung hätte mir besser gefallen. Super fand ich indes den tollen, anschaulichen Schreibstil der Autorin, der mich absolut mitreißen konnte. Es gibt einen passenden Mix aus Erzählungen, (teils ernsten, teils ironisch-witzigen) Dialogen, Einblicke in Tychos Gedankenwelt und einer Radio-Show. Dazwischen auch Rückblenden in die Vergangenheit der Protagonistin, die passend zum Verständnis der Hintergründe beitragen. Bildlich und nachvollziehbar waren für mich insbesondere die Kampf- und Actionszenen beschrieben, die ich voller Spannung gelesen habe. Insgesamt ist das Buch sehr atmosphärisch geschrieben, wobei insbesondere das Dunkle, Düstere und Mysteriöse überwiegt – an einigen Stellen habe ich mich regelrecht gegruselt und geekelt. Als Gegenpol passen die eher lustig-plattitüdenhaften Radio-Dialoge sehr gut, sie lockern die Gesamtstimmung auf. Schön auch, dass jedes Kapitel eine eigene, sehr individuelle Überschrift trägt. Große Kritik muss ich leider am Klappentext üben: Dieser nimmt schon derart viel vom Inhalt vorweg, dass er den Lesespaß nachhaltig trübt! Viele Fakten, die sich erst gegen Ende des Buches ergeben, werden hier schon vorweg genommen, so dass das Überraschungsmoment ausbleibt – wirklich unglücklich
Der Einstieg ins Buch gelingt problemlos, bereits die ersten Sätze klingen fast episch und machen neugierig auf Tycho und die Story an sich. Bereits zu Beginn wird deutlich, wie außergewöhnlich die Protagonistin ist und wie viele Geheimnisse Tychos Welt zu bieten hat. Wir lernen sie, ihre Umwelt, Gedanken und Probleme gut kennen, bevor die Haupthandlung beginnt. Langsam und nachvollziehbar baut sich danach die eigentliche Geschichte auf, es stellen sich immer mehr Fragen und irgendwann wusste ich gar nicht mehr, wem noch zu trauen ist und wer was verbirgt. Die Spannung steigt permanent an und entlädt sich in einem actionreichen Showdown mit vielen, teils brutalen, Kampfszenen. Für mich hatte die Story zwischendurch einen kurzen Durchhänger, an dem dichter hätte erzählt werden können, am Ende hingegen ging alles Schlag auf Schlag, so dass ich vor lauter Enthüllungen und Ereignissen fast nicht mehr mitgekommen bin. Gut gefallen haben mir die unvorhergesehenen Entwicklungen und Überraschungen der Geschichte, weniger gut die doch recht vielen offen gebliebenen Fragen. So hab ich das Buch dann leider etwas unbefriedigend geschlossen, ich hätte gerne an einigen Stellen noch Antworten und Details erfahren – das hätte auch der Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit gut getan. Das war echt schade und hat mich gestört, auch wenn ich das Buch ansonsten sehr unterhaltsam fand.
Die Idee hinter der Geschichte fand ich sehr interessant und kreativ, einfach mal „etwas anderes“. Viele schwere Themen wie Alkoholmissbrauch, psychische Probleme, Sekten und ihr Einfluss auf Menschen, Selbstverletzung, Gewalttätigkeit oder Selbstjustiz wurden aufgegriffen und passend behandelt. Schön gelöst fand ich das finale Radiointerview und die Aussage, wie mit derartigen Problemen umzugehen ist – das hat dem Buch noch eine moralische Wendung und Betroffenen vielleicht sogar eine Art Hilfestellung gegeben.
Tycho ist hierfür die ideale Protagonistin. Mir gefällt es gut, dass sie so alles andere als perfekt ist, sondern mehr Ecken und Kanten, psychische Probleme und Angstzustände hat als aus anderen Büchern gewohnt. Sie ist für mich als individuelle, außergewöhnliche Persönlichkeit sehr nachvollziehbar beschrieben worden – harte Schale, verletzlicher Kern. Die ihr innewohnende Kraft fand ich interessant und faszinierend, die Idee mit dem Alkohol als Trigger und den entsprechenden Erbanlagen kreativ. Auch ihre charakterliche Entwicklung fand ich passend beschrieben, das Ende hat ihr gut eröffnet, wie sie mit ihren Problemen umgehen kann und es wurde deutlich, dass dies ein langwährender Prozess werden wird.
Insgesamt fand ich „Hard Liquor – Der Geschmack der Nacht“ einen vielversprechenden Auftakt zu Marie Graßhoffs neuer Urban-Fantasy-Reihe. Auch wenn mir persönlich zu viele Fragen offen geblieben sind haben mich der mitreißende Schreibstil, die kreative Idee, der unverhoffte Tiefgang mit vielen ernsten Themen und liebenswerte, da unperfekte Protagonistin gut unterhalten.