Wo die Grenzen verschwimmen
Wie weit geht man, um sich für seine Ideale einzusetzen? Was ist man bereit zu verlieren?
828. Robin Swift, den ein Cholera-Ausbruch im chinesischen Kanton als Waisenjungen zurücklässt, wird von dem ...
Wie weit geht man, um sich für seine Ideale einzusetzen? Was ist man bereit zu verlieren?
828. Robin Swift, den ein Cholera-Ausbruch im chinesischen Kanton als Waisenjungen zurücklässt, wird von dem geheimnisvollen Professor Lovell nach London gebracht. Dort lernt er jahrelang Latein, Altgriechisch und Chinesisch, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem er in das Königliche Institut für Übersetzung der Universität Oxford - auch bekannt als Babel - aufgenommen werden soll.
Oxford ist das Zentrum allen Wissens und Fortschritts in der Welt. Für Robin erfüllt sich ein Traum, an dem Ort zu studieren, der die ganze Macht des britischen Empire verkörpert. Denn in Babel wird nicht nur Übersetzung gelehrt, sondern auch Magie. Das Silberwerk - die Kunst, die in der Übersetzung verloren gegangene Bedeutung mithilfe von verzauberten Silberbarren zu manifestieren - hat die Briten zu unvergleichlichem Einfluss gebracht. Dank dieser besonderen Magie hat das Empire große Teile der Welt kolonisiert.
Für Robin ist Oxford eine Utopie, die dem Streben nach Wissen gewidmet ist. Doch Wissen gehorcht Macht, und als chinesischer Junge, der in Großbritannien aufgewachsen ist, erkennt Robin, dass es Verrat an seinem Mutterland bedeutet, Babel zu dienen. Im Laufe seines Studiums gerät Robin zwischen Babel und den zwielichtigen Hermes-Bund, eine Organisation, die die imperiale Expansion stoppen will. Als Großbritannien einen ungerechten Krieg mit China um Silber und Opium führt, muss Robin sich für eine Seite entscheiden ...
Aber kann ein Student gegen ein Imperium bestehen?
Der spektakuläre Roman der preisgekrönten Autorin Rebecca F. Kuang über die Magie der Sprache, die Gewalt des Kolonialismus und die Opfer des Widerstands.
Ich hätte nicht gedacht, dass mich dieses Buch so schnell an sich fesseln kann. Meine Erwartungen wurden übertroffen, besonders da ich R. F. Kuangs vorherige Trilogie “Im Zeichen der Mohnblume” nicht besonders überzeugt hat.
Die Freundesgruppe, in der Robin Swift seine Heimat in Oxford findet, hat sehr interessante Dynamiken, da sich jeder Charakter sehr stark individualisiert und dadurch hervortritt. Sie haben alle andere Erfahrungen im Leben for Oxford gesammelt, wodurch die erlernten Verhaltens- und Sichtweisen, Denkmuster und Interpretation von Situationen sehr unterschiedlich sind und gerne auch mal clashen. Motive sind nicht immer klar und Charakterentwicklungen finden sich schleichend ein, was mir sehr gefällt. Es sind nicht immer die großen Momente, die einen zum Wachsen bringen, sondern auch das alltägliche Leben, mit dem man sich rumschlagen muss. Die verschiedenen Lebensrealitäten sind des schließlich, die die Gruppe zwingt, sich so zu entwickeln wie sie sich nun entwickelt.
Sprache und ihre politische Macht, ihren Einfluss auf die persönliche Wahrnehmung ist der verbindende Faden in dieser Geschichte. Man spürt die eingehende Recherche, die R. F. Kuang in ihr Werk gesteckt hat. Nach leider vielen Enttäuschungen in modernen Fantasyromanen habe ich in Babel eine außerordentliche Erzählkunst gefunden, die eine Welt produziert, die unserer nicht allzu entfernt ist.