Das Cover von „Was wir nicht kommen sahen“ hat sofort meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der dunkle Hintergrund passt zu der düsteren Thematik, kein Bild hätte dem Stoff des Romans aus meiner Sicht gerecht werden können und hätte deplatziert gewirkt. Die in pink-, rot- und Pastelltönen gehaltene Schrift symbolisiert für mich perfekt die fröhliche, bunte Scheinwelt auf Social Media, die oft für alles andere als bunte Vielfalt und Akzeptanz steht und eine gefährliche Plattform, etwa für Mobbing, bieten kann.
Katharina Secks Schreibstil in der Leseprobe hat mich sofort mitgerissen und in Adas und Jennys Köpfe katapultiert. Ihre Worte haben mich emotional gepackt, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung mit jeder Faser meines Körpers spüren lassen. Die literarisch anmutende Sprache, die bildgewaltigen Vergleiche sind von bezaubernder Schönheit und lassen die aufwühlende Thematik noch stärker wirken. Die Ohnmacht, die Situation, aus der beide nicht ausbrechen können, ist mit so einer Wucht da, die einem den Atem verschlägt. Man will Ada so sehr davor bewahren, ihr Leben zu beenden und Jenny ununterbrochen sagen, dass es nicht ihre Schuld ist, sie keine schlechte Mutter ist, die sich nicht gekümmert hat. Spannend angedeutet finde ich auch, wie unterschiedlich Jenny und Dominik nach außen hin mit Adas Tod umgehen, das Unfassbare versuchen in irgendeiner Form zu bewältigen.
Mich hat beeindruckt, wie nahm man als Leserin an den beiden Protagonistinnen dran ist, obwohl der Roman nicht in Ich-Perspektive geschrieben ist. Die gewählte personale Erzählperspektive finde ich perfekt. Eine Ich-Perspektive hätte ich auf lange Sicht zu nah bei dem traumatischen Thema gefunden.
Ich denke, dass Jenny es schafft, Adas Smartphone zu entsperren und sich in Kims Nachricht ein erster Hinweis darauf findet, dass Ada unter den Äußerungen anderer Menschen gelitten hat. Jenny wird Kim mit der Nachricht konfrontieren, die weiß, dass es einige gemeine Kommentare Ada gegenüber gegeben hat. Ich vermute, dass Kim nicht das volle Ausmaß des Mobbings kennt, Jenny Adas Social-Media-Accounts knacken und auf schockierende Nachrichten stoßen wird. Ich denke, sie wird alles dafür tun, um gegen die von der Anonymität des Internets geschützten Täter vorzugehen, während Dominik ihr in der Sache keine große Stütze ist. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie es wirklich weitergeht und kann es kaum erwarten weiterzulesen, am liebsten im Rahmen einer Leserunde.