Spannend, fesselnd, undurchsichtig
„Waiseninsel“ ist der nunmehr vierte Band der Jessica-Niemi-Reihe. Er steht seinen Vorgängern in nichts nach, auch wenn ich das Täterprofil ein wenig bekritteln möchte.
Jessica Niemi nimmt gezwungenermaßen ...
„Waiseninsel“ ist der nunmehr vierte Band der Jessica-Niemi-Reihe. Er steht seinen Vorgängern in nichts nach, auch wenn ich das Täterprofil ein wenig bekritteln möchte.
Jessica Niemi nimmt gezwungenermaßen eine Auszeit, die sie in gewisser Weise selbst verschuldet hat. Sie ist unschön ausgerastet, auch leidet sie an immer wiederkehrenden Halluzinationen, ein ererbtes Leiden, das im Polizeidienst nichts zu suchen haben sollte. Sie landet auf der zwischen Finnland und Schweden gelegenen Åland-Insel Smörregard und auch dort kann sie, die Kommissarin, nicht anders, als sich einzumischen. Eine Gruppe älterer Menschen, die sich die Zugvögel nennen, wohnt in dem Gasthaus, in dem auch Jessie ihren „Urlaub“ verbringt. Als eines Tages eine Frau dieser Zugvögel tot aufgefunden wird, gräbt sie tiefer. Sie lässt sich die Geschichte von dem Mädchen im blauen Mantel erzählen, entdeckt das mittlerweile halb verfallene Waisenhaus, erfährt von weiteren Toten, deren Geschichte der jetzigen ähnelt. Und auch wenn diese Todesfälle schon lange zurückliegen, so scheint doch alles irgendwie zusammenzuhängen.
Schon der Prolog ist so spannend wie undurchsichtig und das ganze Buch über frage ich mich, wie ich dies alles deuten soll. „Der Saum des blauen Mantels flattert im Wind…“ Schon hier begegne ich diesem mysteriösen Wesen und ich werde ihm noch öfter begegnen.
Max Seeck wechselt vom Heute ins Gestern, in das Kinderheim ins Jahr 1946. Und natürlich frage ich mich, was diese Vorkommnisse von damals mit den heutigen, durchaus seltsamen Begebenheiten zu tun haben. Als Åke, der Juniorchef des Gasthauses, Jessica mehr vom Waisenhaus, von der kleinen Maija und den anderen Kindern, erzählt, habe ich zwar mehr an Infos, bin aber trotzdem verwirrter denn je. Auch ermittelt ein Kommissar in der Sache der jetzigen Toten – auch er ein durchaus irritierender Charakter. Überhaupt kommt mir jede einzelne Person suspekt vor. Ein selbstredend gelungener Schachzug des Autors. Er versteht es bestens, die Orientierungslosigkeit hoch zu halten. Während des Lesens hatte ich so einige verdächtige Gestalten ausgemacht, jeder hatte genug mörderisches Potenzial. Meinte ich zumindest, denn bei jedem gab es ein oder mehrere Details, die dann doch nicht gepasst haben. Nicht passen konnten.
Im Endeffekt war ich ob der Täterperson überrascht, auch weil ich das zeitliche Prozedere nicht so ganz zuordnen kann und mag. Zudem ist eine halluzinierende Kommissarin eher irreal denn Wirklichkeit und doch möchte ich von Niemi noch mehr lesen, sie ist eine interessante, vielschichtige Persönlichkeit. Abgesehen davon hat mich der Thriller auf ganzer Linie gefesselt hat – von der ersten bis zur letzten Seite. Max Seeck weiß seine Leser zu fesseln und in die Irre zu führen, er garantiert für beste Unterhaltung.